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WAZ: Die Krise der Großen - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Von Wolfgang Schäuble stammt der Hinweis, die Große
Koalition sei zum Erfolg verdammt, denn wenn sie erfolglos agiere, 
gefährde das die Demokratie. So weit sind wir noch nicht, aber wann 
hat es zuletzt eine Situation gegeben, in der die Menschen so wenig 
wussten, woran sie mit einer Regierung waren?
Das kann letztlich auch nicht verwundern, sind doch beide Teile 
der Koalition in einer tiefen Sinnkrise. Die gebrauchten Leerformeln 
des Spitzenpersonals bestätigen das nur. Wenn Merkel behauptet, man 
sei auf dem richtigen Weg, provoziert sie nur die Frage: Wohin? Wie 
passt Rüttgers Sozial-Rhetorik, die übrigens die CDU keineswegs neu 
erfindet, sondern nur auf die Kohl-Zeit zurück führt, zum liberal 
geprägten Regierungsstil vor Ort?
Und wenn Beck meint, die SPD werde sich nun mal um die 
Leistungsfähigen kümmern, so hat er nicht mehr getan, als sich einer 
Worthülse der CDU zu bemächtigen. Welchen Folgen ein Bekenntnis zu 
den Leistungsfähigen haben könnte oder müsste (Steuersenkungen?), 
lässt der SPD-Vorsitzende im Nebulösen; ebenso, wie er mit den 
Leistungsunfähigen wider Willen umzugehen gedenkt. Der 
Politikwissenschaftler Franz Walter hat ja Recht: "Die SPD schmeckt 
nicht mehr nach Kohlenstaub und Maschinenfett, sondern nach Büro, 
Klassenzimmer, Klarsichtfolie." Aber was geschieht, parteipolitisch 
gesehen, mit den Verlierern dieses Strukturwandels? Anders: 
Langzeitarbeitslosigkeit und SPD - zwei Welten? (Das hoffen jene, die
jetzt an Rot-Rot-Grün werkeln.)
Die relative Erfolglosigkeit der Großen Koalition, die 
bürokratische Mutlosigkeit ihres Agierens, das inspirationsfreie 
Abarbeiten einer durch schiere Finanznot diktierten Agenda, was ist 
das anderes als: Führungslosigkeit? "Leadership" bedeutet doch gerade
nicht, sich in Volks-Mentalitäten zu fügen, nur das zu tun, was eine 
Mehrheit gerade zuzulassen scheint, sondern Führung heißt: einen 
klaren Kurs vorgeben, couragiert umsetzen und sich für diese Linie 
eine Mehrheit zu suchen.
Merkel wie Beck sind groß geworden als Machtpolitiker. Sie haben 
gelernt, Spitzenpositionen zu erkämpfen zu erhalten. Um mehr zu 
erreichen, müssten beide über sich hinauswachsen. Dass die 
CDU-Vorsitzende wie der SPD-Chef sich jeweils in einem 
strukturkonservativen Umfeld bewegen, macht die Angelegenheit nicht 
eben leichter. Und dennoch: Wer politische Führung übernimmt, trägt 
eine Verantwortung über sich und seine Partei hinaus.

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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