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Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Waffenstillstand ist noch kein Frieden - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Die Entwaffnung der Hisbollah, die Stärkung und
Stabilisierung des Libanon, die Verringerung des syrischen Einflusses
im Zedernstaat, vor allem aber: den fundamentalistischen Iran aus der
Region zu verdrängen - das alles liegt fundamental im europäischen 
Interesse. Umso ärgerlicher ist das Hin und Her, die Taktiererei der 
Europäer im Hinblick auf einen militärischen Einsatz in der Region. 
Schon sehen sich die Amerikaner einmal mehr in ihrer Einschätzung 
bestätigt, wonach es die Europäer ohne US-Hilfe einfach zu wenig bis 
nichts bringen. "Immer wieder lernen wir, dass Europa ohne 
amerikanische Führung ausschließlich ein Touristenziel ist", 
kommentierte hämisch die einflussreiche und gut informierte 
"Washington Post".
Nun ist es nicht entscheidend, was die Amerikaner über die 
Europäer denken. Entscheidend ist aber wohl, dass die Europäer 
endlich, salopp gesagt, in die Gänge kommen. Erst ist Italien bereit,
3000 Soldaten zu schicken und die Führung der Operation zu 
übernehmen, dann schiebt Rom Bedenken hinterher, die das ganze 
italienische Engagement wieder infrage stellen. Frankreich bietet 
beschämende 200 Mann. Berlin will auf dem Meer patrouillieren, lehnt 
es aber ab, die libanesisch-syrische Grenze gegen Waffen-Nachschub 
für die Hisbollah zu sichern. Ohnehin hätte man sich von der 
deutschen Regierung mehr Courage erwarten können, nachdem Israel 
Deutschland zu dieser Mission sozusagen eingeladen und damit in einem
einmaligen Akt historische Einwände beiseite geräumt hat.
Im Moment ist von Waffenstillstand die Rede. Das ist zu zaghaft. 
Nötig wäre es, konkret auf einen Frieden hinzuarbeiten. Und das 
heißt: Libanon braucht rund fünf Milliarden Dollar. Um die 
Infrastruktur wieder aufzubauen und, mindestens ebenso wichtig, den 
Familien wieder ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Längst ist der
Stellvertreterkrieg mit dem Iran in seine nächste Phase eingetreten, 
schon gibt es einen Wettlauf zwischen dem Libanon und der westlichen 
Staatengemeinschaft auf der einen, der Hisbollah und somit dem Iran 
auf der anderen Seite, wer es ist, der den Menschen am Ende ein 
würdiges Leben ermöglicht. Es heißt, der Iran zahlt über die 
Hisbollah jeder Familie, deren Haus zerstört wurde, 10 000 Dollar. 
Das dürfte am Ende die eigentliche zivile Herausforderung sein. Mit 
saudischer, amerikanischer, europäischer Hilfe, etwa auch mit 
großzügigen Krediten für libanesische Investoren, muss dem Libanon 
ermöglicht werden, dieses mörderische Rennen für sich zu entscheiden.
Ohne Waffen kein Waffenstillstand. Aber nur mit Waffen auch kein 
Frieden.

Rückfragen bitte an:

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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