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WAZ: Aufsehen erregende Unauffälligkeit - Kommentar von Angela Gareis

Essen (ots)

Während Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) auf der Regierungsbank lächelnd
schwätzen, fährt Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem Stuhl vor
und zurück. Nach einer Weile fängt Vizekanzler Franz Müntefering
neben ihr auch damit an – vor, zurück – und irgendwann bewegen Merkel
und Müntefering sich synchron. Warum man das erwähnen darf? Weil es
Bemerkenswertes spiegelt.
Angela Merkel ist auf gutem Wege, die als Notgemeinschaft
begonnene große Koalition in eine Interessensgemeinschaft zu
verwandeln. Sie tut es mit Aufsehen erregender Unauffälligkeit. Den
Streit um den Kündigungsschutz, der zum Koalitionskrach auszuarten
drohte, entschärft sie während der Generaldebatte im Vorbeigehen. An
die Adresse der Unionspolitiker, die Müntefering mit Forderungen nach
weiterer Lockerung provoziert haben, sagt Merkel, dass man jetzt erst
einmal die Koalitionsvereinbarung umsetzen werde. Das sei eine Frage
der Verlässlichkeit.
Das ist ein Machtwort neuer Machart, eines, das ohne die
Demonstration von Macht und ohne Verletzungen auskommt, weil es zwei
schlagende Argumente beinhaltet: Zuverlässigkeit und Pragmatismus.
Wir tun, was wir gesagt haben, und wir tun es in diesem kleineren
Rahmen, weil wir uns auf den größeren nicht verständigen konnten.
Kritiker werfen Merkel vor, dass sie strittige Themen wie
Atomausstieg oder die umfassende Gesundheitsreform vertage, weil sie
Angst vor Auseinandersetzungen in der Koalition habe. Tatsächlich
aber steht die Erkenntnis dahinter, dass nur das Mögliche auch
wirklich möglich ist. Wenn Union und SPD mit ihren Modellen für die
Krankenversicherung der Zukunft unvereinbar weit auseinander liegen,
dann muss man das tun, was gemeinsam zu bewerkstelligen ist. Und
vermutlich setzt die Kanzlerin darauf, dass sich im Handeln
Gemeinsamkeiten ergeben, die später noch etwas mehr möglich machen.
Merkels kleine pragmatische Schritte im Dschungel der Eitelkeiten
des politischen Geschäfts könnten am Ende durchaus weiter führen als
mancher kühn geplante Sprung. Denn in 130 Tagen hat die Kanzlerin in
aller Ruhe überraschend viel erreicht. Deutschland hat wieder eine
klare außenpolitische Position. Viele Menschen schöpfen Vertrauen in
die Politik. Das Wachstum wächst. Und die hoch gemauerten
Lagergrenzen zwischen Union und SPD werden niedriger, was Freiheit
zum Handeln verschafft.
Das sind immerhin gute Voraussetzungen für die zweite Etappe der
Bundesregierung, in der sie das Land reformieren will. Jetzt kommt
die erste ernsthafte Belastungsprobe für die große Koalition mit viel
Arbeit für die Synchronpolitiker Merkel und Müntefering.

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