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WAZ: Rentenbericht vorgelegt: Eigenvorsorge, nichts anderes hilft - Kommentar von Rolf Potthoff

Essen (ots)

Zugespitzt darf man es einen Kulturschock nennen.
Aber es ist einer, der erst allmählich das Land erfasst und nur
langsam ins Bewusstsein dringt. Das mag damit zu tun haben, dass die
große Mehrheit der Deutschen in Wohlstandstraditionen aufwuchs und
keinen Anlass hatte, am immer wieder Wiederholten zu zweifeln: „Die
Rente ist sicher.” Heute heißt es nur noch: „Sicherheit im Alter ist
möglich.”
Das bedeutet: Die wohlige Vorstellung eines durch die gesetzliche
Rente gut abgesicherten Lebensabends wird zur Lebenslüge.
Daher käme jedes Abwiegeln bei dieser größten Herausforderung der
Sozialpolitik einer Todsünde gleich. Massenarbeitslosigkeit, dürftige
Wachstumsraten, unterbrochene Berufslaufbahnen und mehr länger
lebende Menschen haben die Voraussetzungen für ein ausreichendes
Rentenniveau gekappt. So durfte Müntefering nichts als die
ungeschminkte Wahrheit sagen: Ohne private Vorsorge wird es nichts
mit einem Ruhestand der wirtschaftlichen Sorglosigkeit.
Nullrunden, Rentenkürzungen oder Rente mit 67, was bei
realistischer Betrachtung der Arbeitswelt gleichsam Rentenkürzung
bedeutet – das hätte vor nicht langer Zeit kein Politiker in den Mund
nehmen wollen. Nun sind es Teile von Konzepten, überhaupt noch eine
akzeptable gesetzliche Rente zu sichern. Die wird künftig
Grundsicherung sein, mehr nicht. Wem sie nicht reicht, und das dürfte
für die Mehrheit gelten, muss Eigenvorsorge treffen.
Der Boden dafür ist bereitet. Es gibt einen grundsätzlichen
Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge. Und das Kernmodell der
staatlich geförderten privaten Altersvorsorge ist die „Riester-
Rente”. Erst sechs Millionen machen davon Gebrauch, lassen Geld in
private Rentenversicherungen, Fonds-, Banksparplan oder eine
Direktversicherung fließen. Wer vorausdenkt und es sich leisten kann,
schließt Kontrakte frühestmöglich auch für seine Kinder.
Wer es sich leisten kann: Da jedoch liegt der Haken.
(Unqualifizierte) Geringverdiener, Alleinerzieher, langfristig
Arbeitslose, durchschnittlich Verdienende mit mehreren Kindern werden
selbst bei bester Absicht nicht immer in der Lage sein, zusätzlich
Altersvorsorge zu treffen. Ebenso werden Arbeitnehmer, die willens
sind, bis zur gesetzlichen Altersgrenze zu arbeiten, aber
„freigesetzt” werden bzw. – älter als 55 – keinen Job mehr erhalten,
den Kürzeren ziehen.
Was sich daraus ergibt, ist die Verpflichtung der Politik, bei der
Rente nicht nur reinen Wein einzuschenken. Sondern Voraussetzungen
für einen ordentlichen Lebensabend zu schaffen. Wirtschafts- und
Rentenpolitik muss mehr als bisher als engst verflochtene
gesellschaftliche Verantwortungseinheit behandelt werden.
Rentengesetzgebung muss mutig und langfristig angelegt werden. Wer
hätte mehr Durchsetzungskraft dazu als eine große Koalition.

Rückfragen bitte an:

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