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WAZ: Schmidt und Lafontaine - Ende der Diskussion - Leitartikel von Christopher Onkelbach

Essen (ots)

Mit Nazi-Vergleichen greift man eigentlich immer in
die braune Soße. Das war bei Herta Däubler-Gmelin so, die 
US-Präsident George W. Bush Politikmethoden im Stile Hitlers vorwarf.
Das war bei Kardinal Meisner so, der moderne Kunst als tendenziell 
entartet bezeichnete. Und das war bei Lafontaine so, der 1982 dem 
damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt "Sekundärtugenden" zuschrieb 
wie Pflichtgefühl, Berechenbarkeit und Standhaftigkeit - mit denen 
man auch ein KZ betreiben könne.
Ob Schmidt mit seinem Angriff auf Lafontaine nun eine verspätete 
Retourkutsche startete oder nicht, spielt hier keine Rolle. Man 
sollte jenseits aller Aufregung einmal genau hinhören, was Schmidt 
eigentlich so Schlimmes gesagt hat. Er hat gesagt: "Dass Charisma für
sich genommen noch keinen guten Politiker ausmacht." Das ist nichts 
Falsches. Charisma ist zunächst einmal ein positiver Charakterzug, 
eine schätzenswerte Eigenschaft, die sich allerdings politisch 
instrumentalisieren lässt. Und da regt sich bei einem Kopfmenschen 
wie Schmidt das politische Unbehagen. Zu Recht. Die prompte Reaktion 
der Linken auf Schmidts Äußerungen war dagegen plump persönlich. Ihm 
den Mund verbieten zu wollen und den Altbundeskanzler "alterssenil" 
zu nennen, ist eine Beleidigung.
Wenn man es genau nimmt, hat Schmidt den 
US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama wesentlich heftiger 
attackiert. Der werde "allein mit Charisma zu einer nationalen 
Figur". Wer die Sache auf die Spitze treiben will, müsste hier den 
eigentlichen Skandal entdecken. Dass aber dem Hamburger Schmidt ein 
Politspektakel à la Obama tief suspekt sein muss, verwundert wenig. 
Da ist ihm zu viel Show, zu viel Gefühl, zu viel Glamour und zu wenig
seriöse, harte Politarbeit.
Wenn man Schmidt etwas vorwerfen muss, dann dies: Das ganze 
Geschrei, das gesetzmäßig im Anschluss an einen mehr oder weniger 
verunglückten Nazi-Vergleich anhebt, signalisiert vor allem eines - 
das Ende jeder Auseinandersetzung. Fällt in einer politischen Debatte
ein Nazi-Wort, ist die inhaltliche Diskussion vorbei. Es ist ein 
Statement, eine Feststellung, ein Urteil und ein Stigma. Wer auf 
diese Weise angesprochen wird, dem bleibt keine andere Reaktion als 
beredtes Schweigen oder sinnlose Empörung. Eine faire politische 
Diskussion ist nicht mehr möglich. Der alte Fuchs Schmidt weiß das 
ganz genau. Ein "Mann des Arguments", wie Schmidt sich selbst 
beschreibt, ist er hier nicht gewesen.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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