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Rat der EKD: „Erinnern um der Versöhnung willen“. Erklärung zum Völkermord an den Armeniern

Hannover (ots)

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) erinnert an den Völkermord an den Armenien vor 90 Jahren. Das
höchste Leitungsgremium der EKD erklärt dazu, dass „Erinnern um der
Versöhnung willen“ nötig sei: „Die Vergangenheit lässt uns nicht los,
bis sie wirklich aufgearbeitet ist. Schuld muss angenommen werden,
die Wahrheit muss verkündet werden. Dieser schwere Schritt der
Rückwendung zur eigenen Geschichte ist notwendig, um den Weg zur
Vergebung zu öffnen, bittere Erinnerungen zu heilen und eine
gemeinsame Zukunft zu gewinnen.“
Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, wird am
kommenden Samstag, 23. April, bei dem armenischen Gedenkgottesdienst
im Berliner Dom eine Gedenkrede halten.
Erinnern um der Versöhnung willen
Erklärung des Rates der EKD zum Völkermord an den Armeniern
24. April 2005
Am 24. April dieses Jahres gedenkt die Evangelische Kirche in
Deutschland der Opfer des Völkermords an den Armeniern vor 90 Jahren.
Was damals geschah, darf auch heute nicht verschwiegen werden.
Deshalb stimmen wir in ökumenischer Verbundenheit dem Anliegen zu,
das Karekin II., Katholikos Aller Armenier, in seiner Enzyklika vom
3. Februar 2005 formuliert hat: „Der erste Völkermord des 20.
Jahrhundert muss anerkannt und verurteilt werden durch die ganze Welt
und auch durch die Türkei, denn Gewalt und Mord können nicht den Kurs
der Menschheit führen.“ Mit Aram I., Katholikos von Kilikien,
erklären wir: Die Vergangenheit lässt uns nicht los, bis sie wirklich
aufgearbeitet ist. Schuld muss angenommen werden, die Wahrheit muss
verkündet werden. Dieser schwere Schritt der Rückwendung zur eigenen
Geschichte ist notwendig, um den Weg zur Vergebung zu öffnen, bittere
Erinnerungen zu heilen und eine gemeinsame Zukunft zu gewinnen. Mit
Mesrob II., dem armenischen Patriarchen von Istanbul und der ganzen
Türkei, erinnern wir der Hunderttausenden armenischen Bürger, die ihr
Leben auf dem Todesmarsch in die syrische Wüste verloren und Opfer
menschenverachtender Angriffe wurden. Die Erinnerung an diese
bitteren Erfahrungen lässt sich nicht auslöschen oder totschweigen.
Als Christen sehen wir unsere Aufgabe gerade darin, dafür Sorge zu
tragen, dass die Wahrheit zum Zuge kommen kann. Dies ist nur möglich,
wenn historische Ereignisse nicht verschwiegen oder geleugnet werden
und beiden Seiten, Tätern wie Opfern, die Möglichkeit gegeben wird,
Schuld und Verletzungen ohne Angst vor Repressionen auszusprechen.
Dabei steht uns die schmerzvolle Erinnerung in der weltweiten
Gemeinschaft überlebender Armenier an die Ereignisse vor Augen. Aber
wir richten unseren Blick auch auf die Diskussion dieser Fragen in
der türkischen Öffentlichkeit. Solange jedoch in der Türkei vor allem
Wissenschaftler, Journalisten und Juristen mit Strafverfolgung
rechnen müssen, wenn sie Dokumente, Analysen und Texte zu den
Massakern von 1914/15 veröffentlichen, ist ein heilender Prozess, ist
Versöhnung in der türkischen Gesellschaft unmöglich. Wir setzen uns
für eine offene und vorurteilslose Erörterung dieser Geschehnisse
ein, die den Opfern der damaligen Gewalthandlungen Gerechtigkeit
widerfahren lässt.
Als Deutsche wissen wir, welche geistliche, intellektuelle und
gesellschaftliche Herausforderung die historische Aufarbeitung der
Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts darstellt. Uns ist bewusst,
dass sich mit dieser Aufarbeitung weitreichende Erwartungen an eine
politische und wirtschaftliche Wiedergutmachung verbinden können.
Unsere eigene Erfahrung ermutigt uns aber auch dazu, für einen
Prozess der Versöhnung zwischen dem türkischen und dem armenischen
Volk einzutreten. Vor allem der Jugendaustausch zwischen den Völkern
bietet die Chance, der nachwachsenden Generation durch persönliche
Kontakte und Freundschaften neue Perspektiven des Zusammenlebens zu
ermöglichen. Gerade auch um des Verständnisses in der jüngeren
Generation willen bedürfen die Gewalttaten der Vergangenheit einer
sorgfältigen Behandlung in den Schulbüchern. Sie darf nicht durch
politische Interessen verhindert werden.
Auch in Deutschland bleibt es nötig, sich der Vergangenheit zu
stellen. Angesichts der Mitverantwortung des Deutschen Reichs ist ein
deutscher Beitrag zur Aufarbeitung von Vernichtung und Vertreibung
der Armenier unabdingbar und für die Aufarbeitung der Geschichte
ethnischer Konflikte im 20. Jahrhundert unverzichtbar. Es ist ein
Verdienst der Evangelischen Akademien, des Lepsius-Archivs, des
Lepsius-Hauses und zahlreicher engagierter Gruppen und Personen, dass
dieser Prozess begonnen hat. Die Arbeit des Lepsius-Hauses in Potsdam
als eines Zentrums für Erinnerung, Forschung, Bildung und Begegnung
verdient Unterstützung und Förderung. Die Evangelische Kirche in
Deutschland bejaht es ausdrücklich, wenn dabei auch die Rolle der
Kirche im Verhältnis zu dem Lebenswerk von Johannes Lepsius kritisch
untersucht wird.
Mit Dankbarkeit schauen die EKD und die armenische Kirche auf eine
lange Phase herzlicher Verbundenheit zurück, die gerade in den
letzten Jahren in vielen ökumenischen Begegnungen und Hilfsprojekten
der Diakonie wie des Entwicklungsdienstes Ausdruck gefunden hat.
Kirchen und Akademien bieten ein Forum für Begegnungen und Gespräche
zwischen Türken, Armeniern und Deutschen auch in unserem Land.
Aus Anlass des neunzigjährigen Gedenkens an den Beginn der
Todesmärsche bittet der Rat der EKD Bundestag und Bundesregierung,
ihren politischen Beitrag dazu zu leisten, dass zwischen Türken und
Armeniern ein Ausgleich durch die Bereitschaft zu Wahrheit und
Versöhnung, durch das Verzeihen historischer Schuld und durch einen
mutigen Neubeginn erreicht wird.
Hannover/Berlin, 21. April 2005
Pressestelle der EKD
Christof Vetter
Hinweis: Eine Pressemitteilung zur Gedenkrede des Ratsvorsitzenden
wird die EKD-Pressestelle voraussichtlich morgen verschicken.
Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail:  christof.vetter@ekd.de

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