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Berliner Morgenpost: Mit Putin reden
Leitartikel von Jo Angerer

Berlin (ots)

Für Russlands Präsidenten Wladimir Putin sollen es zwei glanzvolle Tage werden - der Afrika-Gipfel, der am Donnerstag in Putins Geburtsstadt Sankt Petersburg beginnt. Glanzvolle Tage, die Putin dringend braucht. Denn innenpolitisch steht der Kremlchef unter Druck. Die Rebellion der Wagner-Söldner, die immer offenere Kritik an der Führungsspitze der russischen Armee. Putin braucht Erfolge.

Und mit dem Erfolg auf dem Schlachtfeld wird es so schnell wohl nichts. Die Kämpfe in der Ukraine, die der Kreml nach wie vor "Spezialoperation" nennt, sind zum erbitterten, grausamen Stellungskrieg geworden. Die ukrainische Armee hat sich zäher als erwartet erwiesen. Aber auch Kiews vollmundig angekündigte Gegenoffensive ist erst mal steckengeblieben. Mal gewinnt die eine Seite hier ein paar Quadratkilometer, mal die andere Seite dort.

Die westlichen Waffen sind wohl nicht der von Präsident Wolodymyr Selenskyj erhoffte Gamechanger. Zu befürchten ist, dass der Krieg noch viele Monate, wenn nicht Jahre, so weitergehen wird. Nun also der Afrika-Gipfel. Das zunehmend international isolierte Russland versucht, die diplomatischen und, vor allem, sicherheitspolitischen Beziehungen zu afrikanischen Staaten zu stärken. Denn Russland hat in Afrika viele Interessen, vor allem wirtschaftliche.

Wichtigstes Thema aber wird das vorerst gescheiterte Getreideabkommen sein. Putin wird den afrikanischen Staaten ein Angebot unterbreiten, das er bereits in einem vom Kreml verbreiteten Artikel formuliert hat. Russland wolle Lieferungen an bedürftige Länder sicherstellen, so der Präsident, und sei in der Lage, "ukrainisches Getreide auf kommerzieller Basis und kostenfrei zu ersetzen, zumal wir dieses Jahr eine weitere Rekordernte erwarten." Afrika fest in Russlands Hand? Dies werden weder die Ukraine, die um die wirtschaftlich lukrativen Getreideexporte bangt, noch die westlichen Partner so einfach akzeptieren. Selenskyj pocht auf eine Perspektive für Getreideexporte über die Häfen am Schwarzen Meer. "Die Welt weiß, dass die Sicherheit der Schwarzmeerhäfen der Schlüssel zu Frieden und Stabilität auf dem globalen Lebensmittelmarkt ist."

Exporte aus den ukrainischen Schwarzmeerhäfen einfach militärisch durchsetzen? Geleitschutz für Getreideschiffe? Angeblich patrouilliert bereits jetzt die moderne russische Korvette "Sergej Kotow" auf der Route zwischen dem Bosporus und der ukrainischen Hafenstadt Odessa. Einen Seekrieg wird die Nato nicht riskieren. Und dann bleiben noch die Seeminen, mit denen Russland vermutlich die Hafenzufahrten inzwischen wieder unpassierbar gemacht hat.

Kein Reeder wird seine Handelsschiffe dieser Gefahr aussetzen, keine Versicherung derartige Transporte absichern. Bleibt also eine diplomatische Lösung. UN-Generalsekretär Guterres sprach von einem "Leuchtfeuer der Hoffnung". Es darf nicht erlöschen. Russland muss sich bewegen. Aber auch der Westen.

Denn der Deal hat zwei Seiten. Freie Durchfahrt für Getreideschiffe ist die eine Seite. Die andere ist aber, dass der Deal auch Russland den Export seiner landwirtschaftlichen Produkte ermöglichen müsste, das ist heikel. Aber Sanktionen etwa gegen die russische Landwirtschaftsbank erschweren die Exporte. Sollte man also über eine Lockerung dieser Sanktionen nachdenken? Putins Forderungen nachgeben? Jeder Deal braucht Bewegung. Platzt das Abkommen endgültig, dann drohen Hungerkatastrophen.

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