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Berliner Morgenpost: Die Griechen, das Geld und die Glaubwürdigkeit - Leitartikel

Berlin (ots)

Eine alte Börsenweisheit besagt, dass der Markt
immer recht hat. Wenn das so ist, dann lässt sich etwas anderes auch 
mit Bestimmtheit sagen: Die Deutsche Bank hat nicht immer recht; 
manchmal liegt sie sogar furchtbar daneben. So wie am Donenrstag, als
es den Griechen gelang, eine zehnjährige Staatsanleihe bei hoher 
Nachfrage problemlos zu platzieren - noch dazu mit einem Zins, der 
niedriger ausfiel, als Beobachter erwartet hatten. Nach diesem Erfolg
denkt nun erst einmal keiner mehr ernsthaft über Josef Ackermanns 
Pläne nach, mit staatlicher Hilfe zwischen 20 bis 30 Milliarden Euro 
für die Griechen zu organisieren.
Zugunsten des Deutsche-Bank-Chefs muss man allerdings sagen, dass die
Entwicklung an den Märkten in den vergangenen Wochen einer 
Achterbahnfahrt glich. Was heute goldrichtig ist, kann morgen völlig 
falsch sein. Wer heute noch Griechenland für zehn Jahre Geld für 6,5 
Prozent leiht und das für ein gutes Geschäft hält, wird es morgen 
vielleicht bitter bereuen, weil die Kurse griechischer Staatsanleihen
dann eben doch einbrechen.
Aber bei allem Verständnis für die Unwägbarkeiten des Kapitalmarktes:
Die Finanzbranche - und allen voran der deutsche Branchenprimus - hat
ihrer Glaubwürdigkeit einen Bärendienst erwiesen. Wieder einmal 
drängt sich bei unbeteiligten Beobachtern der Eindruck auf, dass den 
Großbankern die eigenen Geldinteressen eben doch wichtiger waren als 
das Wohl der Allgemeinheit. Da hilft es dem Ansehen der Deutschen 
Bank auch nur sehr wenig, dass sie die Märkte in Vorfreude auf ein 
europäisches Hilfspaket zum Wochenanfang sogar etwas beruhigt hat. 
Denn am Ende war es die Europäische Zentralbank (EZB), die die Lage 
gewendet hat - zumindest vorerst. Indem die sonst so kritischen 
Währungshüter dem griechischen Konsolidierungspaket eine Art 
amtlichen Segen gaben, haben sie die großen Zweifel zerstreut, die es
bis dahin an den Sparbemühungen des Mittelmeerlandes gab.
Ohne Risiko ist das Verhalten der Frankfurter Notenbanker jedoch 
nicht. Denn bei aller Freude lässt sich eines mit Sicherheit sagen: 
Es wird viele Monate dauern, bis die Griechen über den Berg sind. Nun
müssen sie erst einmal beweisen, dass sie es mit ihren 
Sparversprechen ernst meinen. Schon heute zeigen die 
Massendemonstrationen in Athen, was für ein steiniger Weg das wird.
Gehen die Griechen diesen Weg nicht konsequent voran, wird am Ende 
nicht nur die ohnehin schon geringe Glaubwürdigkeit des Landes 
ruiniert sein - auch das Ansehen der EZB würde erheblich ramponiert. 
Die europäische Notenbank hat sich in ihrer kurzen Geschichte bislang
mit gutem Grund auf Distanz zur europäischen Politik gehalten - seit 
ihrem Lob für die Griechen sitzt sie mit ihr in einem Boot. Die 
Gefahr ist nicht gering, dass die kleine Republik im Süden Europas - 
deren Wirtschaftskraft nicht viel größer ist als die von Hessen - 
auch die letzte wirklich glaubwürdige Institution in Europa in ihrem 
Sog mit nach unten reißt. Für die Euro-Zone wäre das eine 
Katastrophe.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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