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Berliner Morgenpost: Das Unbehagen zwischen den Jahren - Leitartikel

Berlin (ots)

Es ist eine besondere Zeit. Zwischen den Jahren.
Was man da alles machen kann. Abstand gewinnen vom Gewesenen, Mut 
schöpfen für das Neue, durchatmen, sich besinnen, ausschlafen, 
umtauschen. Man kann jetzt weglaufen vor den Problemen, sie aufs 
nächste Jahr vertagen. Man kann sich wieder annähern oder Pause 
machen und Luft holen. Man kann all diejenigen anrufen, die anzurufen
man sich zu Weihnachten nicht aufraffen konnte. Man kann auch einfach
mal wegfahren und fünfe gerade sein lassen. Es ist eine schöne Zeit.
Man darf jetzt auch ein wenig nachdenken über Dinge, über die sich 
nachzudenken lohnt, die man alltags aber doch schnell-schnell aus den
Augen verliert. Man kann Bilanz ziehen und nachgucken, ob sich das 
Leben gelohnt hat in den vergangenen zwölf Monaten. Ist man zu dick, 
zu dünn, zu maulfaul, zu plapperig, nicht nett genug oder viel zu 
lieb gewesen? Hat man die anderen eher genervt oder ihnen gutgetan? 
Ist man seinen Verpflichtungen nachgekommen, oder sind da nicht doch 
noch ein paar Rechnungen offen? Zwischen den Jahren ist allemal auch 
eine Zeit für Selbstkritik. Ohne die wird es nächstes Jahr bestimmt 
nicht besser.
Danach können wir dann bei den anderen nachschauen. Bei denjenigen 
zum Beispiel, die uns regieren, denen wir Macht verliehen haben und 
die sich darin gelegentlich ganz gern sonnen. Norbert Lammert, der 
Bundestagspräsident, der sein Amt sehr ernsthaft und beachtlich 
ausübt, hat den Nachweihnachtssonntag in diesem Sinne genutzt und 
einen Strich unter das Agieren unserer neuen schwarz-gelben Regierung
gezogen. Seine Bilanz fällt ebenso treffend wie vernichtend aus, was 
besonders ins Gewicht fällt, weil Lammert selbst Christdemokrat ist 
und dabei nicht im Verdacht steht, ein notorischer Querulant zu sein.
Mit seiner Kritik am Wachstumsbeschleunigungsgesetz - heißer Kandidat
für das bürokratische Unwort des Jahres - fasst Lammert vielmehr ein 
Unbehagen zusammen, das sich vor allem im Unionslager breitmacht. Es 
ist das Gefühl, einen klassischen Fehlstart hingelegt zu haben, 
dessen fatale Außenwirkung diese Legislaturperiode prägen wird, der 
die Akteure lähmt und alle weiteren Anstrengungen des Kabinetts, und 
seien sie noch so richtig und wichtig, schon im Vorfeld desavouieren 
könnte.
Man sollte also, dieser Rat sei zwischen den Jahren erlaubt, sehr 
genau darauf achten im schwarz-gelben Regierungslager, welche Art 
interner Steuer- und Spardebatte man dem nicht mehr sonderlich 
geneigten Publikum zumuten möchte im kommenden Jahr. Das Pflegen der 
jeweiligen Steckenpferde von CDU, CSU und FDP, wie Lammert die 
lupenreine Klientelpolitik der Bündnispartner genannt hat, sollte 
jedenfalls nicht mehr dazugehören.
Wünschenswert deshalb, dass auch Angela Merkel die letzten Tage des 
Jahres nutzt, um ihre eigene Rolle zu überdenken, durchzuatmen und 
Mut zu gewinnen für einen neuen Anfang. Ihr wenig pointiertes 
Auftreten der vergangenen Wochen jedenfalls hat den schwarz-gelben 
Fehlstart erst möglich gemacht.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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