Alle Storys
Folgen
Keine Story von BERLINER MORGENPOST mehr verpassen.

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Kuhhandel auf höchster Ebene - Leitartikel

Berlin (ots)

Wer seine Kinder auf den krisenfesten Beruf des
Volksvertreters vorbereiten will, sollte unbedingt das lustige 
Ravensburger Kartenspiel "Kuhhandel" unter den Weihnachtsbaum legen. 
Ziel ist es, dem Gegenspieler mit allerhand Bluffs seine Tiere 
abzunehmen und andere dafür bezahlen zu lassen. Fairness, Rücksicht 
und Ehrlichkeit sind dabei eher hinderliche Charakterzüge; Tricksen 
und Täuschen dagegen unerlässlich, gern mit einem triumphierenden 
Lächeln gewürzt.
Der Kuhhandel, im Politiker-Deutsch auch als "tragbarer Kompromiss" 
bekannt, gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Ministerpräsidenten 
und Bundesfinanzminister am Jahresende. Gemeinsam wird gern bis weit 
nach Mitternacht jenes Geld verspielt, das die Deutschen beim 
Weihnachtsshopping vorsichtshalber nicht ausgegeben haben. Gerade in 
Wahljahren tobt der Kuhhandel besonders wüst. Denn da müssen auch 
noch im Wahlkampf oder Koalitionsvertrag leichtfertig gegebene 
Versprechen zumindest scheinbar erfüllt werden. Besonders heikel wird
die Runde, wenn im größten und wichtigsten aller Bundesländer, 
Nordrhein-Westfalen, im nächsten Frühling gewählt wird.
In den kommenden zwei Wochen erlebt die Republik demnach eine 
Kuhhandelsrunde der Extraklasse. Zum großen Finale kommt es bei der 
letzten Sitzung des Bundesrats am 18.Dezember. Rotäugig, aber
glücklich werden die Akteure vor die Kameras taumeln, auch wenn 
keiner von ihnen gewonnen hat, schon gar nicht der Bürger.
Akribisch hat die FDP das Spiel vorbereitet, mit dem monotonen Ruf 
nach Steuersenkung. Elegant auch der Auftakt von CSU-Chef Horst 
Seehofer, der den sinnfreien Mehrwertsteuererlass für Hotels 
durchsetzte. Damit war die Spiellaune der restlichen 
Ministerpräsidenten geweckt, die sich parteiübergreifend in einem 
Punkt einig sind: Bayern kriegen nichts geschenkt, also Zustimmung 
verweigern. Endlich bewährte sich mal die Taktik von 
Schleswig-Holsteins Chef Peter Harry Carstensen, durch Nichtstun 
Profil zu gewinnen.
Hektisch arbeitet die Regierung seither an einer weiteren 
haushälterischen Niederlage. Die Beteuerung, man werde keine 
Landesfürsten aus der Ablehnerfront herauskaufen, verheißt exakt das 
Gegenteil. Milliarden für alle für Bildung und für Sachsens Tillich 
Extrahilfe bei den Wohnungskosten von Hartz IV. Ein paar Kilometer 
Umgehungsstraßen werden sich sicher auch noch finden lassen.
Alles prima also, wäre das Problem mit den Steuersenkungen nicht. 
Denn die zusätzlichen Milliarden werden kaum vom neuen fünf Millionen
teuren Kreditmediator besorgt. Stattdessen werden 2010 die 
Kitagebühren, Parkvignetten und Eintrittsgelder erhöht oder 
Schwimmbäder gleich geschlossen. Wem tatsächlich mehr Geld bleibt, 
der spart - das zeigen alle Studien.
Seit dem Wahlmonat September gibt es das lustige Kartenspiel übrigens
in der Masterversion, noch fieser und trickreicher. Hoffentlich 
hatten unsere Volksvertreter noch keine Zeit zum Üben.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
  • 06.12.2009 – 19:37

    Berliner Morgenpost: Klimagipfel unter Erfolgszwang

    Berlin (ots) - Wenn es eines Belegs bedürfte für die Tatsache, dass sich die Dinge mittlerweile sehr zügig ändern, dann sollte man sich die Vorberichte über den heute beginnenden Klimagipfel in Kopenhagen beugen. Von einem US-Präsidenten ist dort die Rede, der darauf hoffen lasse, dass dieses Spitzentreffen den Durchbruch bringen könnte für einen effizienten internationalen Klimaschutz. Von sogenannten ...

  • 05.12.2009 – 19:46

    Berliner Morgenpost: Die Kluft zwischen Versprechen und Realität - Leitartikel

    Berlin (ots) - Die Schweizer haben sich das Recht bewahrt, über Fragen, die das Land bewegen, nicht allein die Regierung entscheiden zu lassen. So sprach das Volk vor einer Woche sein Verbot für den Bau von Minaretten aus. Das Verdikt ist zur Belastungsprobe für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen über die Grenzen der ...

  • 04.12.2009 – 18:55

    Berliner Morgenpost: Eine notwendige Debatte - leider viel zu spät geführt -Leitartikel

    Berlin (ots) - Es war eine Sternstunde des Parlamentarismus: Die Sondersitzung des Brandenburger Landtages, die den Stasi-Verstrickungen in der rot-roten Koalition unter Ministerpräsident Matthias Platzeck gewidmet war. Die Redebeiträge vieler Abgeordneter zeichnete eine Ernsthaftigkeit aus, die dem heiklen Thema der Vergangenheitsaufklärung einer Diktatur ...