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Berliner Morgenpost: Kommentar: Der Reichstag muss sicher sein - und offen für alle

Berlin (ots)

Die Umweltaktivisten von Greenpeace haben einmal
mehr einen Volltreffer gelandet. Mit dem Missbrauch des Reichstags 
als Werbekulisse für ihre energiepolitischen Ziele haben sie die 
erstrebte öffentliche Aufmerksamkeit erreicht. Für ihren 
Einfallsreichtum, ihre perfekte Organisation und ihr kühnes Agieren 
gebühren den Greenpeace-Aktivisten nicht erst mit dem Reichstag-Coup 
Respekt und Anerkennung. Es kommt eben nicht von ungefähr, dass 
Greenpeace nicht nur die weltweit bekannteste Umweltorganisation ist,
sondern auch eine mit hohem Ansehen. Dabei wird gern ausgeblendet, 
dass die selbst ernannten Retter unserer Welt längst zu einem 
globalen Unternehmen mit großem Etat geworden sind. Der speist sich 
fast ausschließlich aus Spenden. Die wiederum sprudeln nach jeder 
spektakulären Aktion - wie jetzt am Reichstag - kräftiger.
Das ist die eine, die respektable Seite.
Dann aber hört der Spaß auf. Wie ist es möglich, dass eine Handvoll 
Atomkraftgegner Helme, Hämmer, eiserne Haken, meterweise Seile und 
das drei Meter breite und fünfzehn Meter lange Transparent in das 
Reichstagsgebäude schmuggeln konnten? Vorbei an allen 
Sicherheitskontrollen. Die sind ziemlich scharf, wie jeder Besucher 
des Parlamentsbereichs oder der Aussichtsterrasse samt Kuppel selbst 
erfährt. Erst geht es durch ein Röntgen-Tor, dann wird jede Tasche 
durchleuchtet, und schließlich ist noch eine Security-Schleuse zu 
durchschreiten. Dazu kommt ein Sicherheitspersonal, an dem zumindest 
zahlenmäßig nicht gespart wird. Wie an all dem vorbei erst das 
notwendige Gerät unbemerkt vorbeigeschleust, dann auch noch die 
Abseilaktion vorbereitet und realisiert werden konnte - das ist 
skandalös. Zumal es nicht der erste vergleichbare Zwischenfall ist. 
Vor zwei Jahren hatten sich Demonstranten vor der Reichstagsfassade 
abgeseilt, um gegen die Wirtschaft zu protestieren.
Die Greenpeace-Aktion legt erneut offen, dass der Deutsche Bundestag 
ein gewaltiges Sicherheitsproblem hat. Es muss so schnell wie möglich
untersucht und gelöst werden. Dabei liegt nach Art und Umfang der 
Aktion eine äußerst beunruhigende Vermutung nah: Die 
Fassadenkletterer könnten Helfershelfer innerhalb des 
parlamentarischen Betriebs gehabt haben. Und wenn es Umweltaktivisten
möglich ist, alle Sperren im Reichstag zu umgehen, dann können das 
nicht minder professionelle Terroristen auch. Bundesinnenminister 
Wolfgang Schäuble wird von der SPD und der Opposition wegen seiner 
wiederholten Warnungen vor der Gefahr von Terroranschlägen scharf 
gescholten. Dass seine Mahnungen keineswegs völlig aus der Luft 
gegriffen sind, hat sich gestern am Reichstag leider bestätigt.
Dennoch: Ein freies Parlament darf nicht zu einem 
Hochsicherheitstrakt verkommen. Die Bürger müssen Zugang zum Haus des
Volkes haben - spektakuläre Aktionen wie die gestrige stellen dies 
infrage. Greenpeace mag sich über den Erfolg freuen. Den Bürgern 
dagegen dürften die Aktivisten ein weiteres Stück Parlamentsnähe 
nehmen. Das ist eigensüchtig. Und gegenüber den bislang jährlich drei
Millionen Besuchern des Reichstags verantwortungslos.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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