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Der Tagesspiegel

Der Tagesspiegel: Am Montag hat Susanne Osthoff dem Sender Al Dschasira ihr erstes Interview gegeben

Berlin (ots)

Am Montag hat Susanne Osthoff dem Sender Al
Dschasira ihr erstes Interview gegeben, nachdem sie vor gut einer 
Woche aus der Geiselhaft entlassen worden war. Aktham Suliman, 
Deutschland-Korrespondent von Al Dschasira, sagte im Gespräch mit dem
Tagesspiegel (Ausgabe vom 28. Dezember), "es war der Wunsch von Frau 
Osthoff, und dem kann man als Medium nur entsprechen. Sie ist auf Al 
Dschasira zugekommen und nicht umgekehrt. Das Gespräch fand in der 
Zentrale von Al Dschasira, in Doha, der Hauptstadt von Katar, statt. 
Wie Susanne Osthoff in Katar gelandet ist, darauf will ich nicht 
eingehen."
Zu seinen Eindrücken sagte er: "Frau Osthoff hat kein Hehl daraus 
gemacht, dass sie den Tod mit den eigenen Augen gesehen hatte. Das 
ist wirklich keine Erfahrung, die leicht gewesen ist. Sie war, sie 
ist schockiert. Wer in einer solchen Situation gewesen ist, der kann 
gar nicht anders reden und denken. Das heißt aber auf keinen Fall, 
dass man ihre Aussagen nicht ernst nehmen sollte. Die Zeit nach einer
Entführung ist doch mindestens so schwierig auf aufreibend wie die 
Geiselhaft selbst: Das Bundeskriminalamt fragt und fragt, dann der 
Druck, sie solle wieder nach Deutschland zurückzukehren."
Susanne Osthoff beharre auf dem, "was sie tun will. Sie betrachtet
sich als jemand, der in seiner Heimat Irak entführt worden ist. Wenn 
ein Deutscher in Berlin entführt werden sollte, dann verlässt er 
Deutschland auch nicht unmittelbar nach seiner Befreiung", sagte 
Suliman.
Auf die Frage, ob nach dem Interview nun die Umstände der 
Entführung klarer seien, sagte der Journalist: "Da konnte auch Frau 
Osthoff nicht sehr viel erhellen. Das war auch zu erwarten, denn 
wahrscheinlich weiß der am wenigsten, der am meisten betroffen ist. 
Es sieht aber danach aus, dass sie am Ende bei einer politischen 
Gruppe gelandet ist, die sie kannte oder zumindest erkannte. Diese 
Gruppe hat - nach Beschreibung von Frau Osthoff - die Lage sehr 
schnell begriffen. Das war "kein Fang" für sie, sie musste die Frau 
so schnell wie möglich wieder loswerden: Sie wurde als Muslimin 
angesehen, als Freundin des Irak und so weiter. Die Gruppe, so sagt 
es Frau Osthoff, war um ihre Sicherheit besorgt."
Susanne Osthoff will wieder in den Irak, der deutsche 
Außenminister Steinmeier warnt, äußert Unverständnis. Dazu Suliman: 
"Das ist ja der Punkt. Jeder verhält sich richtig aus seiner Sicht. 
Der deutsche Außenminister hat ja die Aufgabe und die Pflicht, davor 
zu warnen, dass jemand in Krisengebiete einreist. Aus der Sicht von 
Frau Osthoff ist der Irak ihre Heimat und nicht Deutschland, zumal 
sie mit ihrer Familie verkracht ist. Sie würde sich in Deutschland 
verloren vorkommen. Susanne Osthoff sieht nicht ein, warum sie ihre 
Heimat aufgeben soll. Die Gefahr im Irak betrifft nicht nur die 
Archäologin, sondern die Millionen Menschen, die im Irak leben. Frau 
Osthoff sagt, die Gefahr, durch eine Bombe umzukommen, ist viel 
größer als die einer Entführung. Sie scheint diese Gefahren wie ihr 
Schicksal zu akzeptieren. Natürlich steckt die Bundesregierung in 
einem Dilemma: Wenn Frau Osthoff wieder entführt werden sollte, dann 
muss sie wieder um die Freilassung besorgt sein."
Zur Frage, wie ein solcher Fernsehauftritt von Susanne Osthoff in 
der arabischen Welt, speziell im Irak ankomme, sagte Aktham Suliman: 
"Alleine, dass Susanne Osthoff ein arabisches und kein deutsches 
Medium gewählt hat, zeigt eine ganze Menge Respekt und den Willen zum
Dialog. Was sie gesagt hat, wie sie ihre Angst geschildert hat, das 
hat Eindruck gemacht. Aber sie hat niemanden beleidigt. Sie hat 
Verständnis gezeigt, nicht im Sinne von Billigung, sondern: Trotz 
Lebensgefahr sehe ich die Problematik, die zu solchen Situationen 
führen kann. Was eben gar nicht gut ankommt in der arabischen Welt: 
Wenn man den Irak als gut betrachtet, wenn man als Journalist oder 
als Unternehmer dort sein Geld verdient, den Irak aber verurteilt, 
wenn man als Geisel genommen wird. Frau Osthoff sieht sich als eine 
entführte Irakerin, nicht nur als eine entführte Deutsche. Umso mehr 
missbilligen dann die arabischen Massen diese Aktionen."
Ob die Ankündigung der Bundesregierung, dass sie keine Projekte 
mehr im Irak unterstützen will, die sich mit Susanne Osthoff 
verbinden, das das doch positive Bild Deutschlands im Irak 
beschädigt? Antwort des Al-Dschasira-Journalisten: "Die Ankündigung 
der Bundesregierung ist mehr an die deutsche Öffentlichkeit 
adressiert: Wir unternehmen alles, damit die Frau zurückkehrt. Der 
Irak braucht jede Hilfe und zwar jenseits der Begriffe "Projekt mit 
Osthoff" oder "Projekt ohne Osthoff"."

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
thomas.wurster@tagesspiegel.de

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