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Der Tagesspiegel

Der Tagesspiegel: Steinbrück will Bundesgesetze für Länder öffnen

Berlin (ots)

Berlin. Zum Auftakt des Treffens der
Föderalismuskommission hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident
Peer Steinbrück (SPD) Öffnungsklauseln für die Länder in
Bundesgesetzen gefordert.
"Ich halte es für interessant, den Ländern über ein
verfassungsrechtlich gesichertes Zugriffsrecht die Möglichkeit
einzuräumen, bundesrechtliche Regelungen durch Landesrecht zu
ergänzen oder zu ändern", sagte er dem Tagesspiegel
(Donnerstagsausgabe). Dies betreffe etwa den Naturschutz, die
Landschaftspflege oder die Raumordnung sowie wie die Förderung der
wissenschaftlichen Forschung und die Grundsätze des Hochschulwesens
oder das Besoldungs- und Versorgungsrecht.
Die Länder müssten "einen größeren Spielraum bekommen, neue Wege
in Eigenverantwortung gehen zu dürfen", forderte Steinbrück.
Das Interview steht Ihnen bei Angabe der Quelle zur Verwendung
frei:
„Es geht darum, Dinge auszuprobieren"
NRW-Ministerpräsident Steinbrück über Länderwettbewerb,
Studiengebühren - und die Verantwortung für EU-Recht
Auf welchen Feldern verlangen Sie für die Länder mehr Kompetenzen?
Zunächst einmal: Bund und Länder sind mittlerweile so vielfältig
miteinander verzahnt, dass dadurch die Handlungsfähigkeit beider
Ebenen zusehends eingeschränkt wird. Wir sind zu unflexibel, zu
langsam und zu intransparent. Das hat uns nicht zuletzt das
Vermittlungsverfahren kurz vor Weihnachten eindrucksvoll vor Augen
geführt. Wir brauchen deshalb eine bessere Arbeitsteilung zwischen
Bund und Ländern - vordringlich in der Gesetzgebung. Dazu sollte
einerseits der Bund von Zustimmungs- und Einspruchsverfahren im
Bundesrat entlastet werden und andererseits sollten den Ländern mehr
Gesetzgebungskompetenzen übertragen werden. Für interessant halte ich
es insbesondere, den Ländern über ein verfassungsrechtlich
gesichertes Zugriffsrecht die Möglichkeit einzuräumen,
bundesrechtliche Regelungen durch Landesrecht zu ergänzen oder zu
ändern. Wesentliche Bereiche der bisherigen Rahmengesetzgebung
könnten so geregelt werden.
Was stellen Sie sich konkret vor?
Das kann natürlich nicht für alle Bereiche gelten, aber
beispielsweise für den Naturschutz, die Landschaftspflege oder die
Raumordnung. Diese Bereiche unterliegen EG-rechtlichen Vorgaben, die
die Länder selbstverständlich zu beachten haben. Auch Bereiche wie
die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und die Grundsätze des
Hochschulwesens oder das Besoldungs- und Versorgungsrecht könnten dem
Zugriffsrecht der Länder geöffnet werden. Sie nehmen auf diesen
Gebieten Unterschiede zwischen einzelnen Ländern in Kauf? Ich halte
länderspezifische differenzierte Lösungen auf ausgewählten Feldern
für erstrebenswert. Sie könnten einen Anreiz geben, mit besseren
Lösungen vorzupreschen. Es geht beispielsweise darum, mit Hilfe von
so genannten Best-practice-Modellen Dinge auszuprobieren, die, wenn
sie gut funktionieren, von anderen Ländern aufgegriffen werden
können. Die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Länder
sind unterschiedlich und deshalb sind zur Problemlösung auch
unterschiedliche Ansätze notwendig. Jedenfalls müssen die Länder
einen größeren Spielraum bekommen, neue Wege in Eigenverantwortung
gehen zu dürfen.
Dann wäre es denkbar, dass es in einem Bundesland Studiengebühren
gibt, in einem anderen nicht?
Ja, es gibt ja jetzt schon differenzierte Modelle für
Studiengebühren und es gibt längst auch unterschiedliche
Einschreibgebühren für die Hochschulen in Deutschland. Wir in
Nordrhein-Westfalen haben zum Beispiel ein Studienkontenmodell
entwickelt, das sehr differenziert die Erhebung von Studiengebühren
für Langzeitstudenten und Zweitstudien vorschreibt.
Das Leitbild „Wettbewerbsföderalismus" schreckt Sie nicht?
Es geht um einen Zweiklang von Wettbewerb und Solidarität. Wir
müssen Wettbewerb zwischen den Ländern zulassen, ohne die Solidarität
mit strukturschwächeren Ländern zu untergraben. Der
Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt, beides Systeme, die zum
Ausgleich von strukturellen Schwächen beitragen, stehen nicht zur
Disposition. Das schließt selbstverständlich Anpassungen und
Neujustierungen nicht aus.
Wo wird der Bund denn am Ende mehr Kompetenzen haben?
Der Bund soll in den Bereichen, in denen er heute nur die
Rahmenkompetenz hat, künftig auch die Vollkompetenz erhalten.
Streitereien zwischen Bund und Ländern über die Umsetzung von EU-
Richtlinien würden damit beispielsweise entfallen, denn diejenigen
Länder, die über ihre Zugriffsrechte von dem Bundesgesetz abweichen
würden, stünden selbst in der Verantwortung, ihre länderspezifischen
Lösungen EU-tauglich zu gestalten. Etwaige Verstöße gegen EU-Recht
hätten die Länder dann selbst zu verantworten.
Ein Gerangel um künftige Steuerreformen im Bundesrat und
Vermittlungsausschuss würde es dann nicht mehr geben?
Dort, wo die Länder ein Zugriffsrecht eingeräumt bekommen, können
sie nicht noch ein Zustimmungsrecht im Bundesrat reklamieren. Das
führt dazu, dass die Zustimmungsfälle im Bundesrat reduziert werden
und der Bund wieder einen größeren Handlungsspielraum bekommt.
Gegenseitige Blockaden würden abgebaut.
Wie schnell kann die Kommission Vorschläge machen, und wann wird
das umgesetzt?
Wir beraten heute und morgen in der Föderalismuskommission
intensiv über die Reform. Man kann bei solch komplizierten Vorhaben
nicht schon nach einigen Monaten endgültige Lösungen erwarten, aber
ich hoffe, dass wir noch vor der Sommerpause erste Ergebnisse
vorlegen können. Alle wissen: Ohne eine Reform sind wir auf Dauer
nicht mehr handlungsfähig, und deshalb bin ich zuversichtlich, dass
wir eine Lösung finden, die den Mischmasch zwischen den verschiedenen
politischen Ebenen auflöst und Verantwortlichkeiten klar regelt.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Thomas Wurster
Chef vom Dienst
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
Email: thomas.wurster@tagesspiegel.de

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