Alle Storys
Folgen
Keine Story von IGBCE Nordost mehr verpassen.

IGBCE Nordost

IGBCE: Arzneimittelwerke in Berlin vor dem Aus

Arzneimittelwerke in Berlin vor dem Aus

Mehr als 200 Arbeitsplätze betroffen und Versorgungssicherheit mit kritischen Medikamenten und damit Gesundheit von Patienten gefährdet

Die Aristo Pharma Group beabsichtigt, im Jahr 2026 in Berlin gleich zwei produzierende Pharmafirmen zu schließen. Es betrifft die Advance Pharma GmbH mit ca. 180 Beschäftigten in Reinickendorf und die Steiner & Co. Deutsche Arzneimittelgesellschaft mbH & Co. KG mit ca. 50 Beschäftigten in Lichterfelde und Reinickendorf. Die Aristo Pharma gehört der Strüngmann Familie (family office ATHOS), die unter anderem an der Gründung von Biontech beteiligt waren und mehrere Produktionsstandorte betreiben.

Mit der Schließung werden mehr als 200 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Gleichzeitig gehen mit der Schließung dringend benötigte Medikamente vom deutschen Markt. Dazu gehört Carbamazepin - lebenswichtig bei Epilepsie und bipolarer Störung, Metamizol - ein starkes Schmerz- und Fiebermittel, Metronidazol - unverzichtbar als Antibiotikum und Antiparasitikum und Cefurax 250/500mg - ein versorgungskritisches Antibiotikum schwerpunktmäßig für Kinder (Cephalosporine) auch unter Handelsnamen Cefuroxim, Cefaclor, Cefixim. Dieses steht sogar auf der Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe gemäß §52b Abs. 3c Arzneimittelgesetz. Hier bestanden bereits in der Vergangenheit Lieferengpässe.

Wenn diese Medikamente künftig nicht mehr in Berlin hergestellt werden, gefährdet die Schließung auch die Medikamentenversorgung unserer Bevölkerung mit kritischen Wirkstoffen und Antibiotika.

Haben wir aus Corona nichts gelernt?

Die Pandemie hat uns doch schonungslos vor Augen geführt, wie verwundbar unsere Gesellschaft ist. Monate voller Unsicherheit, wo selbstverständliche und dringend benötigte Medikamente plötzlich nicht mehr verfügbar waren: Schmerzmittel für Kinder, wichtige Antibiotika, ja sogar Antidepressiva. Lieferzeiten von bis zu acht Wochen waren keine Seltenheit – in einer Situation, in der jede Stunde zählt.

Und heute? Kaum jemand trägt noch Maske, der Alltag scheint wieder normal. Doch hinter dieser vermeintlichen Normalität baut sich eine gefährliche Bedrohung auf: Unsere Arzneimittelversorgung steht wieder auf der Kippe. Ein Stau im Hafen von Shanghai, eine geopolitische Krise, eine Pandemie – und die europäischen Apotheken bleiben wieder leer. Medikamente sind keine T-Shirts, die man auch nach Wochen der Verspätung noch tragen kann. Auf ein lebenswichtiges Präparat kann niemand vierzig Tage warten.

Die Berliner Werksschließungen sind keine Einzelfälle, sondern ein weiterer Mosaikstein in einer Entwicklung, die unsere Abhängigkeit von Asien weiter verschärft und die Gesundheitsversorgung in Europa existenziell bedroht. Schon heute sind Arzneimittelengpässe Alltag – und die Lücken im Versorgungssystem werden größer.

Was, wenn im nächsten Winter wieder eine Pandemie ausbricht? Was, wenn Lieferketten erneut reißen? Wie viele Menschenleben kosten uns dann die Politik der Billigverträge der Krankenkassen?

Europa steht am Scheideweg: Entweder wir schaffen es, versorgungssichere Arzneimittelproduktion in Berlin und Europa zu halten – oder wir geben unsere Versorgungssicherheit endgültig aus der Hand und bringen damit potenziell Menschenleben in Gefahr.

Mehr als 200 Arbeitsplätze in Berlin retten!

Die Schließung gefährdet nicht nur die Medikamentenversorgung der Bevölkerung mit kritischen Wirkstoffen und Antibiotika. Sie gefährdet auch die Beschäftigung langjähriger Kolleginnen und Kollegen. Mehr als 200 qualifizierte, tariflich bezahlte Arbeitsplätze in Berlin gehen verloren. Die Beschäftigten fürchten um die Arbeitsplätze und machen sich Sorgen um ihre Zukunft und die ihrer Familien.

Bisher führten die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nicht zum Erfolg. Wertschätzung für die oft langjährige Arbeit der Beschäftigten – Fehlanzeige. Dafür Hinhaltetaktik und der Versuch, die Verantwortung auf die Betriebsräte abzuwälzen. Das ist unanständig und unverschämt.

Rolf Erler, Bezirksleiter Berlin-Mark Brandenburg der IGBCE: „Es ist eine Katastrophe, dass hier weitere, mehr als 200 Arbeitsplätze am Industriestandort Berlin verloren gehen sollen. Zusätzlich zu den menschlichen Schicksalen, die sich dahinter verbergen, reden wir hier auch von einer gesellschaftspolitischen Herausforderung, wenn dadurch wichtige Medikamentenproduktion vom deutschen Markt verschwindet. Wir erwarten als IGBCE Unterstützung von der Politik, und wir erwarten ein anderes Verhalten der Arbeitgeber. Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe sieht anders aus als das, was wir hier gerade erleben müssen.“

Die Betriebsräte an beiden Standorten und organisieren sich mit der IGBCE gegen die Schließung und fordern, dass der Konzern Respekt und Verantwortung für die Beschäftigten zeigt. Sie fordern von den Geschäftsführungen der betroffenen Firmen und vom Aristo-Konzern die Fortführung der Produktion an den Berliner Standorten und sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Sie fordern für die laufenden Verhandlungen wertschätzende Vorschläge für Interessenausgleich und Sozialplan mit einem angemessenen Nachteilsausgleich und Qualifizierungsmöglichkeiten für die betroffenen Beschäftigten in einer Transfergesellschaft. Sie erwarten Verantwortung des Aristo-Konzerns für sozialverträgliche Lösungen und Unterstützung der Berliner Politik für den Erhalt von Generikaproduktion in Berlin.

Wir werden mit allen Mitteln kämpfen. Für die Arbeitsplätze und eine gute Versorgung der Patienten

Pressekontakte:

Oliver Pelzer, Konzernbetriebsratsvorsitzender, pelzer.oliver@gmail.com, 0162 7750457

Silvia Striegl, Betriebsratsvorsitzende Advance, helli32@web.de, 0176 34461583

Edgar Bernthaeusl, Betriebsratsvorsitzender Steiner, edgar.bernthaeusl@yahoo.com, 0172 2023177

Birgit Grunow, Gewerkschaft IGBCE Berlin-Mark Brandenburg, birgit.grunow@igbce.de, 0151 42244766

-----------------------------------------------------
IGBCE Berlin-Mark Brandenburg
Verantwortlich: Rolf Erler, Bezirksleiter
Inselstraße 6, 10179 Berlin
Telefon: +49 30 30 86 80 0
Telefax: +49 30 30 86  80 17
E-Mail:  bezirk.berlin@igbce.de
Internet:  IGBCE Berlin-Mark Brandenburg
 
Über uns:

Der Bezirk Berlin-Mark Brandenburg ist flächenmäßig der größte Bezirk der IGBCE. Er umfasst die Bundesländer Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ohne die Lausitz – drei Bundesländer mit unterschiedlicher Industriestruktur und wirtschaftlicher Entwicklung. Wir betreuen mehr als 250 Betriebe und ca. 15.500 IGBCE Mitglieder in den Branchen Energie, Chemie, Pharma, Kautschuk, Kunststoff, Papier, Glas und Wasserwirtschaft. Bezirksleiter ist Rolf Erler. Als einer von fünf Bezirken gehört der Bezirk Berlin-Mark Brandenburg zum Landesbezirk Nordost.

Weitere Storys: IGBCE Nordost
Weitere Storys: IGBCE Nordost