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Zelluläre Transporter im Blick behalten

Zelluläre Transporter im Blick behalten
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Biophotonik-Professor Thomas Hellerer und Doktorand Thomas Kellerer der Hochschule München entwickeln ein innovatives Bildgebungsverfahren, das winzige Wirkstofflieferanten beispielsweise von mRNA-Impfstoffen in der Zelle in Echtzeit trackt – und gleichzeitig Informationen über deren Umwelt liefert.

München, 30. Mai 2023 – Die Corona-Pandemie hat sie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt: Impfstoffe, die auf der mRNA-Technologie basieren, haben wesentlich zur Bekämpfung der Pandemie beigetragen. Sie setzen voraus, dass das Botenmolekül mRNA in das Innere von Zellen geschleust wird. Da „nackte“ mRNA sehr empfindlich ist, wird sie dabei von winzigen Fettkügelchen umhüllt, sogenannten Lipid-Nanopartikeln (LNPs). Die Freisetzung der mRNA in der Zelle besser zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung, um die Effizienz der Impfstoffe zu steigern. Hier setzt Prof. Dr. Thomas Hellerer von der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik mit seinem Projekt SEMPA-Track (Entwicklung einer zeitaufgelösten Tracking-Mikroskopie zur Verfolgung der intrazellulären Freisetzung von Nukleinsäuren durch Lipid-Nanopartikel) an: Der HM-Professor für Biophotonik entwickelt mit seinem Doktoranden Thomas Kellerer ein neues Bildgebungsverfahren, mit dem das Verhalten der Partikel umfassend analysiert werden kann.

Parameter der mRNA-Freisetzung

Treffen LNPs auf die Zelloberfläche, entstehen durch Einstülpen und Abschnüren der Zellmembran kleine Vesikel – sogenannte Endosomen – in deren Innerem die LNPs in die Zelle gelangen. Die Endosomen diffundieren im Zellinneren, bis sie sich auflösen, sodass die LNPs und in der Folge auch die mRNA freigesetzt werden. Dieser als „endosomal escape“ bezeichnete Vorgang ist allerdings nicht besonders effektiv, denn nur ein Teil der mRNA gelangt tatsächlich ins Zellinnere. Welche Parameter dabei eine Rolle spielen, wollen die Forschenden nun im Detail beobachten.

Umweltparameter beeinflussen das Fluoreszenzsignal

Dabei stehen sie vor großen technischen Herausforderungen: Zum einen flitzen die Endosomen mit den nur 40-100 Nanometer großen LNPs blitzschnell im Zickzackkurs durch die Zelle. Zum anderen wird vermutet, dass die Umgebung, insbesondere der pH-Wert, die Auflösung der Endosomen maßgeblich beeinflusst. Daher müssen die Forschenden gleichzeitig auch die Mikroumgebung der Teilchen im Blick behalten.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, verwenden die Wissenschaftler:innen ein spezielles Bildgebungsverfahren, das auf der sogenannten Fluoreszenzlebensdauer-Mikroskopie (FLIM) beruht: Dabei werden die Proben mit unterschiedlichen Farbstoffen markiert und es wird erfasst, welche Verzögerung die Fluoreszenz nach Anregung durch eine Lichtquelle im Mittel hat. „In einer umfassenden Analyse konnten wir zeigen, dass diese Fluoreszenzlebensdauer charakteristisch für einen Farbstoff ist, sofern die äußeren Bedingungen stabil bleiben“, sagt HM-Doktorand Thomas Kellerer, der im Rahmen einer kooperativen Promotion mit der LMU München an diesem Projekt arbeitet. Da der pH-Wert die Fluoreszenzlebensdauer bestimmter Farbstoffe beeinflusst, kann über winzige Verschiebungen der Fluoreszenzlebensdauer – es geht um Größenordnungen von nur 0,5 Nanosekunden – auch der pH-Wert in der Nähe des Partikels gemessen werden.

Mikroskop nachführen im Zehntelsekundentakt

Gleichzeitig entwickeln die Biophotoniker ein innovatives Verfahren, damit das Mikroskop den in der Zelle herumflitzenden Endosomen schnell genug folgen kann: „Da die Vesikel die Bildebene des Mikroskops sehr schnell verlassen, ist eine aktive Nachführung des Bildausschnittes unabdingbar. Da geht es um wenige Zehntelsekunden“, sagt Hellerer. Dafür erzeugen die Wissenschaftler durch geschickte Anregung mit zwei Farben ein besonderes überlappendes Farbsignal und erfassen durch den Vergleich der Detektionskanäle die Richtung, in die sich das Teilchen bewegt. „Ein erheblicher Anteil unserer Technologie-Entwicklung besteht darin, dieses System schnell genug zu machen“, betont der Professor. „Solche tiefgreifenden Modifizierungen von etablierten Systemen sind eine Stärke unseres Labors.“

Gegenüber den bisherigen Ansätzen hat die neue Technologie zudem den Vorteil, dass das Fluoreszenz-Signal gleich mehrere Informationen liefert, sodass weniger Farbstoff eingesetzt werden kann. „Das ist für unsere medizinischen Fragestellungen sehr wichtig, weil die kleinen LNPs nur wenig Farbstoff als Marker aufnehmen können“, sagt Hellerer. Diese Entwicklungsarbeit soll im Sommer abgeschlossen werden. In einem zweiten Schritt wollen die Forschenden dann biologische Proben untersuchen.

Prof. Dr. Thomas Hellerer

Thomas Hellerer studierte Physik an der TUM und promovierte 2004 an der LMU zum Thema CARS-Mikroskopie. Während seiner Postdoc-Zeit forschte er an der Chalmers Universität in Göteborg (Schweden) über den Fettstoffwechsel. Anschließend wechselte er in die Laserbranche, seit 2007 ist der Physiker bei der TOPTICA Photonics AG in Gräfelfing tätig. 2013 übernahm Thomas Hellerer eine Professur für Biophotonik an der Hochschule München, wo er seit 2020 auch eine HTA-Forschungsprofessur innehat.

Gerne vermitteln wir einen Interviewtermin mit Prof. Dr. Thomas Hellerer und HM-Doktorand Thomas Kellerer.

Kontakt: Christiane Taddigs-Hirsch unter T 089 1265-1911 oder per Mail.

Publikation:

Thomas Kellerer, Janko Janusch, Christian Freymüller, Adrian Rühm, Ronald Sroka, Thomas Hellerer: Comprehensive Investigation of Parameters Influencing Fluorescence Lifetime Imaging Microscopy in Frequency and Time-Domain Illustrated by Phasor Plot Analysis, in International Journal of Molecular Sciences, 2022, 23(24), 15885; https://doi.org/10.3390/ijms232415885

Hightech Agenda

Dieses Forschungsprojekt wurde gefördert mit Mitteln der Hightech Agenda Bayern (HTA), einem Investitionsprogramm des Freistaats Bayern. Es stärkt die staatlichen Hochschulen Bayerns mit zusätzlichen Studienplätzen, Stellen für Professuren, für wissenschaftliches sowie nichtwissenschaftliches Personal und für Infrastruktur. Die Hochschule München fördert aus HTA-Mitteln die Forschung, Innovationen in Lehre und Transfer sowie Entrepreneurship. Schwerpunkte der Maßnahmen der HM bilden die Bereiche Digitalisierung, Künstliche Intelligenz sowie eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Transformation der Gesellschaft.

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Die  Hochschule München ist mit über 500 Professor:innen, 820 Lehrbeauftragten und über 18.500 Studierenden eine der größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften Deutschlands. In den Bereichen Technik, Wirtschaft, Soziales und Design bietet sie rund 100 Bachelor- und Masterstudiengänge an. Exzellent vernetzt am Wirtschaftsstandort München, arbeitet sie eng mit Unternehmen und Institutionen zusammen und engagiert sich in praxisnaher Lehre und anwendungsorientierter Forschung. Die HM belegt im Gründungsradar des Stifterverbands deutschlandweit erneut den ersten Platz unter den großen Hochschulen und Universitäten. Neben Fachkompetenzen vermittelt sie ihren Studierenden unternehmerisches und nachhaltiges Denken und Handeln. Ausgebildet im interdisziplinären Arbeiten und interkulturellen Denken gestalten ihre Absolvent:innen eine digital und international vernetzte Arbeitswelt mit. In Rankings zählen sie bei Arbeitgeber:innen zu den Gefragtesten in ganz Deutschland.  hm.edu