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Grünen-Politiker Cem Özdemir will kein «islamisches Deutschland»

Berlin (ots)

Im Internet kursiert immer wieder dieses angebliche Zitat des Grünen-Politikers Cem Özdemir: «Wir wollen, dass Deutschland islamisch wird.»

BEWERTUNG: Der Politiker bestreitet, dass er diesen Satz jemals gesagt hat, oder dass er eine solche Ansicht vertritt. Das Zitat stützt sich auf reines Hörensagen einer einzelnen Person.

FAKTEN: Dem Grünen-Politiker Cem Özdemir werden im Internet wiederholt verschiedene Aussagen zugeschrieben, die er nach eigener Aussage nie gemacht hat. Das hat ihn dazu veranlasst, auf seiner Homepage die Rubrik «Dichtung und Wahrheit» einzurichten und dort solche falschen Zitate aufzuführen und deren Ursprung darzulegen.

Die falsch ihm zugeschriebene Aussage «Wir wollen, dass Deutschland islamisch wird» stammt aus einem Interview mit einer inzwischen verstorbenen ehemaligen NS-Widerstandsaktivistin der «Weißen Rose», Susanne Zeller-Hirzel. Sie wurde mit der islamfeindlichen Bewegung «Pax Europa» in Zusammenhang gebracht.

Ihr Satz über Özdemir fiel 2010 in einem Interview von Michael Stürzenberger zum Themenkomplex Islam. Stürzenberger ist laut bayerischem Verfassungsschutz noch heute eine zentrale Figur der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Szene (http://dpaq.de/Zlo7V).

Zeller-Hirzel sagte im Interview: «Ja, also, mindestens sind's zehn Jahre her. (...) Dann habe ich den Herrn Özdemir gesehen in einem Gespräch mit jungen Frauen, Mädchen, älteren Mädchen, so 18-Jährigen. Und die haben ihn gefragt: "Was haben Sie vor?" Da hat er gesagt: "Wir wollen, dass ganz Deutschland islamisch wird." (...) Und das hat mich aufhorchen lassen.»

Aus dem Interview wird nicht weiter deutlich, wo und in welchem Zusammenhang Zeller-Hirzel Özdemirs angebliche Aussage mitbekommen haben will. Sie äußert sich im weiteren Gespräch mit Stürzenberger einige Male allgemein islamkritisch.

Der Beauftragte für den interreligiösen Dialog und Islamfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Rainer Oechslen, besuchte später Zeller-Hirzel für seinen Aufsatz «Die "Weiße Rose" und der Islam - Protokoll einer Instrumentalisierung» (http://dpaq.de/5twJa).

Nach Oechslens Angaben konnte sich Zeller-Hirzel nicht mehr daran erinnern, wer sie für «Pax Europa» gewonnen habe. Ein Interview mit Özdemir, das vor Jahren im Fernsehen gesendet wurde, habe sie geärgert. Ob sie damit die Gesprächssituation meint, die sie im Interview mit Stürzenberger zitiert, bleibt offen.

Oechslen fragte Zeller-Hirzel bei seinem Besuch auch nach ihrem Verhältnis zu Muslimen. Ihre Antwort: «Ich weiß zu wenig Genaues über den Islam.» Insgesamt kommt der Kirchenmann zu dem Schluss, dass die ehemalige Aktivistin der «Weißen Rose» von islamfeindlichen Kräften instrumentalisiert worden sei.

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Links:

Facebook-Post: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=346448902947440&set=p.346448902947440&type=3&theater

Facebook-Post (archiviert): https://web.archive.org/web/20190708120612/https://www.facebook.com/photo.php?fbid=346448902947440&set=p.346448902947440&type=3&theater

Homepage von Cem Özdemir - Rubrik «Dichtung und Wahrheit» https://www.oezdemir.de/dichtung_und_wahrheit/

Landesamt für Verfassungsschutz Bayern zur Situation in Bayern (u. a. zu Michael Stürzenberger) http://www.verfassungsschutz.bayern.de/weitere_aufgaben/islamfeindlichkeit/situation/index.html

Interview von Michael Stürzenberger mit Susanne Zeller-Hirzel (Antwort ab 1:32 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=jjFCt3Uv3Tk

Aufsatz im Deutschen Pfarrerblatt: www.pfarrerverband.de/print/artikel.php?id=2933

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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