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Grundsteuer: Viele Kommunen missachten Steuerversprechen

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Pressemitteilung

Grundsteuer: Viele Kommunen missachten Steuerversprechen

Berlin, 31.10.2025 – Die Grundsteuerreform sollte die Besteuerung von Grund und Boden in Deutschland gerechter machen. Steuererhöhungen schloss der damalige Finanzminister Olaf Scholz 2019 ausdrücklich aus. Doch eine gemeinsame Datenauswertung des gemeinwohlorientierten Medienhauses CORRECTIV und des unabhängigen Geldratgebers Finanztip zeigt: Vier von fünf Kommunen in Hessen nehmen 2025 mehr mit der Grundsteuer ein als zuvor, in Sachsen sind es 18 Prozent – und missachten damit die Empfehlungen ihrer Bundesländer.

CORRECTIV und Finanztip haben über 800 Kommunen in Hessen und Sachsen untersucht. Das Ergebnis fällt deutlich aus: In Hessen überschreiten rund 80 Prozent der Kommunen die vom Land empfohlenen Hebesätze – mehr als 56 Prozent sogar um mehr als fünf Prozent, einige sogar um mehr als das Doppelte. In Sachsen hingegen halten sich die meisten Kommunen an die Empfehlungen: Nur rund 18 Prozent liegen mehr als fünf Prozent über dem Richtwert. „Wenn die Hebesatzempfehlungen korrekt berechnet wurden und Kommunen ihre Einwohner stärker zur Kasse bitten, ist das nichts anderes als eine Steuererhöhung“, so Jörg Leine, Steuerexperte von Finanztip.

Beispiele aus Hessen: Klamme Kassen sorgen für Steuererhöhungen

Besonders deutlich wird der Trend in Hessen. In Eppstein im Main-Taunus-Kreis, einer 13.000-Einwohner-Kommune, liegt der Hebesatz jetzt rund 30 Prozent über der Landesempfehlung. Die erste Stadträtin Sabine Bergold (CDU) will ihn sogar verdoppeln und erklärt gegenüber CORRECTIV: „In Eppstein hätte die Umsetzung der Empfehlung zu einem gravierenden Haushaltsdefizit geführt.“ Auch in Lindenfels, einer 5.000-Einwohner-Gemeinde im Odenwald, liegt der Steuerhebesatz um mehr als 60 Prozent über der Empfehlung.

Während viele hessische Kommunen gegenüber CORRECTIV und Finanztip einräumen, Steuern erhöht zu haben, gibt es auch einige, die die Empfehlungen des Landes für fehlerhaft halten.

Beispiele aus Sachsen: Kleine Orte unter Druck

In Sachsen zeigt die Detailanalyse deutliche Unterschiede: Die meisten Kommunen halten sich an die Hebesatzempfehlungen. Auffällig: Vier von fünf Kommunen, die die Empfehlungen überschreiten, zählen weniger als 5.000 Einwohner. Größere Städte halten sich dagegen weitgehend an die Landesvorgaben.

Die Gemeinde Hirschstein im Landkreis Meißen hat 2.000 Einwohner und liegt 31 Prozent über der Landesempfehlung. Bürgermeister Conrad Seifert (CDU) nennt gestiegene Personalkosten und zusätzliche Aufgaben von Bund und Ländern als Hauptgründe.

Positive Ausnahmen gibt es aber ebenfalls: In Weißenborn (2.400 Einwohner) liegt der Hebesatz 40 Prozent unter der Empfehlung. Bürgermeister Udo Eckert (Freie Wählergemeinschaft) erklärt: „Unsere Gewerbesteuereinnahmen bescheren uns eine sehr komfortable Situation, sodass wir unsere Einwohner nicht mit hohen Grundsteuern belasten müssen.“

Steuerpolitisches Versprechen gebrochen

Noch 2019 versprach der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD), die Reform der Grundsteuer solle aufkommensneutral bleiben – die Kommunen sollten also nicht mehr einnehmen als zuvor. Doch die Praxis zeigt oftmals das Gegenteil. Viele Gemeinden begründen die Erhöhungen mit klammen Haushalten, steigenden Personalkosten und zunehmenden Verwaltungsaufgaben.

Hintergrund: Grundsteuerreform beschäftigt Gerichte

„Die Grundsteuerreform war an vielen Stellen chaotisch und noch ist kein Ende in Sicht, denn bald werden die ersten Klagen vorm Bundesfinanzhof verhandelt”, so Leine. Der Streit um die Grundsteuerreform hält also an – und wird vermutlich erst in einigen Jahren vom Bundesverfassungsgericht beendet.

Die Grundsteuer zahlen alle Eigentümer von Grund und Boden – ob Eigenheim, Gewerbegrundstück oder Wochenendgarten. Vermieter können sie vollständig auf ihre Mieter umlegen. Die Höhe der Steuer richtet sich nach dem Grundstückswert und dem Hebesatz, den jede Kommune selbst festlegt. Der Hebesatz wirkt wie ein Hebel: Steigt er, zahlen Eigentümer mehr – sinkt er, entlastet das die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Gemeindekassen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 entschieden: Die bisherige Grundsteuer ist verfassungswidrig. Seit Jahrzehnten wurde sie nach völlig veralteten Werten berechnet, weshalb ab 2025 eine neue Grundsteuer nötig wurde.

Weitere Informationen:

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