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Pressemitteilung: Kopftuchverbot: Religionsfreiheit kann betriebliche Neutralität schlagen

Darf ein Unternehmen verbieten, während der Arbeit sichtbare religiöse Zeichen zu tragen? Über diese Abwägungsfrage zwischen unternehmerischer Betätigungsfreiheit und individueller Religionsfreiheit entschied am 15.7.2021 der Europäische Gerichtshof. Betriebliche Neutralität ist zwar ein gerechtfertigtes Anliegen, tritt aber in Deutschland grundsätzlich hinter der verfassungsrechtlich geschützten Religionsfreiheit zurück. Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg, gibt dazu eine Einschätzung.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) war am heutigen Tag zur Entscheidung über zwei Vorabentscheidungsersuchen deutscher Arbeitsgerichte berufen. Mit dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschl. v. 30.1.2019 - 10 AZR 299/18 A) und dem Arbeitsgericht Hamburg (ArbG Hamburg, Beschl. v. 21.11.2018 – 8 Ca 123/18) hatten gleich zwei deutsche Arbeitsgerichte um Klärung gebeten, ob das in der europäischen Grundrechtecharta verbriefte Recht auf unternehmerische Betätigungsfreiheit die Religionsfreiheit des einzelnen Arbeitnehmers überwiegt. In der Sache ging es um die Frage, ob Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen das Tragen sichtbarer religiöser Zeichen wie zum Beispiel ein Kopftuch untersagen dürfen. „Es geht dabei um die schwierige Abwägungsfrage zwischen zwei geschützten Rechtspositionen: Religionsfreiheit des Einzelnen auf der einen und unternehmerische Betätigungsfreiheit auf der anderen Seite“, so Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

Bundesverfassungsgericht: Verbot nur bei konkreten Störungen

Das deutsche Grundgesetz gewährleistet in Art. 4 die Religionsfreiheit, der eine besondere Bedeutung zukommt. Daher hatte das Bundesverfassungsgericht auch in der Vergangenheit generelle Verbote von Kopftüchern für Lehrerinnen als verfassungswidrig angesehen (Beschl. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10). Ein Verbot sei nur erlaubt, wenn etwa der Schulfrieden durch das Kopftuch gestört werde. Auch deutsche Arbeitsgerichte folgen dieser Linie. „Ein betriebliches Kopftuchverbot ist nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber konkrete Störungen darlegt. Allein der Wunsch nach betrieblicher Neutralität ist danach nicht ausreichend“, erklärt Arbeitsrechtler Fuhlrott. So habe das BAG bereits im Jahr 2002 (Urt. v. 10.10.2002 – 2 AZR 472/01) zu Gunsten einer kopftuchtragenden Verkäuferin entschieden.

Europäisches Recht: Größeres Gewicht der Unternehmerinteressen

Die Sichtweise des EuGH war in der Vergangenheit hingegen unternehmensfreundlicher: So stellte dieser in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 (Urt. v. 14.3.2017 – C-157/15) fest, dass die Anforderung eines neutralen Auftretens ohne sichtbare religiöse Zeichen bei einer Mitarbeiterin im Empfangsbereich durchaus gerechtfertigt sein kann und keine religiöse Diskriminierung darstellt.

Diese Aussage relativierte der EuGH in seiner heutigen Entscheidung (Urt. v. 15.7.2021 – C-804/18 und C-341/19): Zwar sei der Wunsch nach betrieblicher Neutralität ein durchaus gerechtfertigtes Ziel und stelle aber per se keine ungerechtfertigte Diskriminierung dar. Dies gelte aber nur dann, wenn der Wunsch nach Neutralität einem „wirklichen Bedürfnis“ des Arbeitgebers entspreche und dieser nachweise, dass ohne Politik der Neutralität seine unternehmerische Freiheit beeinträchtigt werde. Überdies seien dabei auch stets die nationalen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Komme in einem Mitgliedsstaat der Religionsfreiheit besondere Bedeutung zu, so seien diese Wertungen ebenfalls bei der Abwägung mit zu berücksichtigen und könnten als günstigere Vorschriften zugunsten des Beschäftigten berücksichtigt werden.

Urteil stärkt die Bedeutung der Religionsfreiheit in Deutschland

„Das Urteil bestätigt, dass der Wunsch nach religiöser Neutralität ein berechtigtes Anliegen von Unternehmen ist. In Ländern, wo die Religionsfreiheit einen hohen Stellenwert genießt, kommt dieser aber weiterhin hohes Gewicht zu und ist bei der Abwägung zu berücksichtigen. Damit dürfte das Urteil die bisherige Handhabe in Deutschland bestätigen. Pauschale Kopftuchverbote werden damit weiterhin unzulässig sein“, bewertet Prof. Dr. Fuhlrott die Entscheidung.

Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM Rechtsanwälte.

Über die Hochschule Fresenius

Die Hochschule Fresenius mit ihren Standorten in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Idstein, Köln, München und Wiesbaden sowie dem Studienzentrum in New York gehört mit über 17.000 Studierenden zu den größten und renommiertesten privaten Hochschulen in Deutschland. Sie blickt auf eine mehr als 170-jährige Tradition zurück. 1848 gründete Carl Remigius Fresenius in Wiesbaden das „Chemische Laboratorium Fresenius“, das sich von Beginn an sowohl der Laborpraxis als auch der Ausbildung widmete. Seit 1971 ist die Hochschule staatlich anerkannt. Sie verfügt über ein sehr breites, vielfältiges Fächerangebot und bietet in den Fachbereichen Chemie & Biologie, Design, Gesundheit & Soziales, onlineplus sowie Wirtschaft & Medien Bachelor- und Masterprogramme in Vollzeit sowie berufsbegleitende und ausbildungsbegleitende (duale) Studiengänge an. Die Hochschule Fresenius ist vom Wissenschaftsrat institutionell akkreditiert. Bei der Erstakkreditierung 2010 wurden insbesondere ihr „breites und innovatives Angebot an Bachelor- und Master-Studiengängen“, „ihre Internationalität“ sowie ihr „überzeugend gestalteter Praxisbezug“ vom Wissenschaftsrat gewürdigt.

Mit besten Grüßen

Melanie Hahn
Pressesprecherin Wirtschaft & Medien/onlineplus

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