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Pflanzenschutzmittel: Forscherteam fordert Umdenken

Pflanzenschutzmittel: Forscherteam fordert Umdenken
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Die aktuelle Zulassungspraxis von Pflanzenschutzmitteln verfehlt die angestrebten Umweltstandards und trägt zum Verlust von biologischer Vielfalt und zum Insektensterben bei. Deshalb fordert nun eine internationale Expertengruppe, darunter Professorin Juliane Filser aus dem Fachbereich Biologie/Chemie der Universität Bremen, Politik und Behörden auf, das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel zu verändern.

Immer mehr Studien belegen, dass chemische Pflanzenschutzmittel in ihrem derzeitigen Einsatz schädliche Wirkungen auf Ökosysteme und die biologische Vielfalt haben. Das Insektensterben und der Rückgang von Vögeln in der Agrarlandschaft sind eine Folge davon. Nach Vorgaben der Europäischen Union darf die Anwendung von Pestiziden aber nicht zu einem Verlust der Biodiversität führen. Um diese Lücke zwischen gesetzlicher Intention und Realität zu schließen, schlagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen einer aktuellen internationalen Studie unter Beteiligung der Universitäten Bremen, Koblenz-Landau, Aachen, der ETH Zürich und des Zentrums für Umweltforschung in Leipzig eine Überarbeitung des Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel vor. Gefordert ist hier in erster Linie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Testverfahren kritisch beleuchten

Damit soll die Lücke zwischen der aktuellen gesetzlichen Intention und der Realität geschlossen werden. Die Studie "Future pesticide risk assessment - narrowing the gap between intention and reality" ist jetzt in der Fachzeitschrift "Environmental Sciences Europe" veröffentlicht worden. Sie formuliert Ideen, wie vorgegebene Umweltziele erreicht werden können, die bisher verfehlt werden und die dem Schutz der Artenvielfalt dienen. Professorin Juliane Filser vom Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien der Universität Bremen forscht seit vielen Jahren zu Umweltrisiken von Pflanzenschutzmitteln und anderen Chemikalien. Wesentlicher Bestandteil ihrer Forschung ist es, die für die Zulassung einer neuen Substanz erforderlichen Testverfahren kritisch zu beleuchten und Verbesserungsvorschläge für diese zu machen.

Reale Umweltsituation bislang ignoriert

Gemeinsam mit der Expertengruppe der neuen Studie wendet sie sich nun dem Zulassungsverfahren selbst zu. Das Forscherteam bemängelt, dass das aktuelle Verfahren die reale Umweltsituation weitestgehend ignoriere. "Es macht einen riesigen Unterschied, ob ein Pestizid in einer flachen, windigen oder in einer warmen und hügeligen Landschaft ausgebracht wird", sagt Filser, "oder ob ein Mittel alleine oder - wie so oft - gemeinsam mit anderen in den Tank kommt. Je nach Szenario werden die Wirkstoffe unterschiedlich weit transportiert, mehr oder weniger schnell abgebaut, und die betroffenen Organismen können auch völlig verschieden sein."

Zulassung auf Zeit

Um dem Rechnung zu tragen, schlagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Reihe von Maßnahmen vor. So sollte man in einem ersten Schritt strengere Sicherheitsfaktoren im Zulassungsverfahren verwenden, sprich: die maximal zulässige Umweltkonzentration deutlich niedriger als bisher ansetzen. Darüber hinaus müssten Kosten und Nutzen von neuen Produkten bei der Zulassung berücksichtigt. Es müsste auch geprüft werden, ob es bereits umweltverträglichere Alternativen auf dem Markt gibt. Mittelfristig müsste das aktuelle Zulassungsverfahren jedoch durch eine beschränkte Zulassung auf Zeit ersetzt werden, bei der die Umweltauswirkungen in ausgewählten Gebieten unter realen Anwendungsbedingungen untersucht werden. Verbindet man dies mit regelmäßigen Aufnahmen der Tier- und Pflanzenwelt, kann nach Ablauf dieses Zeitraums entschieden werden, ob die Zulassung verlängert werden kann oder entzogen werden muss.

Obergrenzen definieren

Langfristig sollten die unterschiedlichen Regelwerke bezüglich Gewässerschutz, Pflanzenschutzmittelzulassung und Naturschutz harmonisiert werden. Dabei könnten regionale Managementsysteme eingeführt und zum Beispiel Obergrenzen für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in räumlichen Einheiten definiert werden.

Die Studie

Der vollständige Bericht "Future pesticide risk assessment - narrowing the gap between intention and reality" von Ralf B. Schäfer, Matthias Liess, Rolf Altenburger, Juliane Filser, Henner Hollert, Martina Roß-Nickoll, Andreas Schäffer und Martin Scheringer ist im Internet unter https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-019-0203-3 zu finden. Die Studie wurde am 03. April 2019 in der Fachzeitschrift "Environmental Sciences Europe" veröffentlicht.

Fragen beantwortet:

Prof. Dr. Juliane Filser

Universität Bremen

Fachbereich Biologie/Chemie

Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien (UFT)

Tel.: +49 421 218-63470

E-Mail: filser@uni-bremen.de

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Telefon: +49 421 218-60150
E-Mail:  presse@uni-bremen.de

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