Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Nach dem schweren Erdbeben: Minderheiten bei Hilfslieferungen benachteiligt
Nach dem schweren Erdbeben:
- Minderheiten in Nordsyrien bei Hilfslieferungen benachteiligt
- Islamistische Söldner im Auftrag der Türkei beschlagnahmen Hilfsgüter
- Instrumentalisierung der Katastrophe für Assimilation und Vertreibung befürchtet
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist tiefe besorgt über türkische Versuche, die Erdbebenkatastrophe für ihre politischen Ziele zu missbrauchen: „Betroffene vor Ort berichten uns, dass islamistische Söldner im Auftrag der Türkei Hilfsgüter beschlagnahmen und gezielt von kurdischen Siedlungen fernhalten“, berichtete der GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido am heutigen Donnerstag in Göttingen. „Die fast völlig zerstörte Kleinstadt Dschindires liegt direkt am Grenzübergang Hamam. Dort kommen keine humanitären Lieferungen an.“ Fahrzeuge und schweres Gerät, um Leichen zu bergen oder Straßen zu räumen, seien Mangelware. Bei diesen Aufräumarbeiten würden Häuser kurdischer Familien benachteiligt.
Jenseits der Grenze, in der ebenfalls schwer betroffenen Süd- und Osttürkei, betreibe die Republik seit jeher eine aggressive Assimilationspolitik gegenüber Minderheiten. Die gleiche Politik praktiziere die Türkei seit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf Afrin im Jahr 2018 auch in Syrien. „Jetzt ist zu befürchten, dass Erdogan und seine islamistischen Schergen im Zuge des Wiederaufbaus durch Siedlungsbau versuchen werden, die kurdische Präsenz samt ihrer Sprache und kulturellen Identität weiter zurückzudrängen“, erklärte Sido. „Schon Grundschulkinder erhalten mehrmals die Woche Unterricht in ‚Islamkunde‘. Wer nicht gut genug Türkisch spricht, wird nicht versetzt.“
Bereits jetzt sind Kurden in Afrin zahlenmäßig eine kleine Minderheit, die nur noch aus alten Frauen und Männern besteht. Zu Beginn der türkischen Besatzung im Jahr 2018 betrug der Anteil der kurdischen Bevölkerung einschließlich ihrer yezidischen, alevitischen und christlichen Mitglieder noch 96 Prozent. Nach der Besatzung sank der Anteil unter 35 Prozent. Mindestens 300.000 Kurdinnen und Kurden wurden damals aus Afrin vertrieben oder mussten fliehen. „Wer sich in der Türkei der Unterdrückung widersetzte, wurde ermordet, vertrieben oder für Jahre ins Gefängnis gesteckt. Das wiederholt sich nun in den syrisch-kurdischen Gebieten, die von der Türkei besetzt gehalten werden. Die Türkei wird alles daran setzen, das Erdbeben, die Wiederaufbauarbeiten und internationale Hilfen für weitere Unterdrückung und Assimilation zu instrumentalisieren“, so Sido.
Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.
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