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FZ: Europäische Perspektive statt Kulturkampf CDU-Politiker Ruprecht Polenz zur Bedeutung Europas für Deutschland und zu den Perspektiven der Türkei (Gastbeitrag für "Fuldaer Zeitung").

Fulda (ots)

Was bedeutet Europa für uns? Diese Frage müssen wir uns stellen, damit wir die Euro-Krise überwinden können. Nur wenn uns wieder klar wird, dass kaum ein Land so sehr wie Deutschland von der EU profitiert, werden wir zu den notwendigen Maßnahmen im Interesse Europas bereit sein. In der EU ist unsere schwierige geostrategische Lage aufgehoben. Deutschland liegt in der Mitte Europas und grenzt an neun Nachbarstaaten. Unser Land ist zu groß, um einfach balanciert werden zu können, und zu klein, um unbestrittene Führungsmacht zu sein. Jahrhunderte lang haben wechselnde Bündnisse, Gleichgewichtspolitik und Rückversicherungsverträge nicht verhindern können, dass es immer wieder zu Kriegen auf unserem Kontinent kam. Der Prozess der europäischen Integration hat dieses Dilemma aufgehoben und einen Raum von Frieden, Stabilität und Wohlstand geschaffen. Der Lissabon-Vertrag wird dazu beitragen, dass Europa immer stärker mit einer Stimme und dem Gewicht von 500 Millionen Menschen spricht. Nur so werden wir uns in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts gegenüber den USA, China oder Indien Gehör verschaffen können. Unser Wohlstand hängt ganz wesentlich vom Export ab. 60 Prozent davon gehen in den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt, 40 Prozent in den Euro-Raum. Nur wenn jetzt als weiterer Schritt zur Vertiefung der Integration auch eine enger abgestimmte Haushalts- und Finanzpolitik der Euro-Länder kommt, werden wir die Euro-Krise überwinden. Was bedeutet Europa für uns? Kann die Türkei dazugehören? Auch diese Frage berührt die europäische Identität - und auch hier scheiden sich die Geister. Gewiss: Seit 2005 laufen die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU. Aber die Bevölkerung bleibt mehrheitlich skeptisch und ablehnend. Der Beitrittsprozess der Türkei eröffnet der EU die Möglichkeit, ein aufgeklärtes Verständnis ihrer eigenen Identität zu entwickeln und jahrhundertealte stereotype Selbst- und Fremdzuschreibungen zu überwinden. "Die Union steht allen europäischen Staaten offen, die ihre Werte achten und sich verpflichten, ihnen gemeinsame Geltung zu verschaffen", so Artikel 2 Absatz 2 des EU-Vertrags. Im 21. Jahrhundert sollten diese Werte in der Universalität definiert und verstanden werden, wie sie von Aufklärung und französischer Revolution gemeint waren. Um beitreten zu können, muss die Türkei die Kopenhagener Beitrittskriterien nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der gelebten Praxis erfüllen. Wenn sie die dafür notwendigen Reformen durchführt, zeigt eine demokratische, rechtsstaatliche Türkei nicht nur allen Ländern mit muslimischer Bevölkerung, dass Islam, Rechtsstaat und Demokratie zum Wohl der Menschen miteinander vereinbar sind. Die Türkei würde zum Zeitpunkt des Beitritts eine andere sein, als sie es heute ist. Im 21. Jahrhundert stehen wir vor der Herausforderung, die Konfrontation zwischen dem Islam und dem Westen zu überwinden. Europa kann hierzu einen beispielgebenden Beitrag leisten. Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei würde aller Welt deutlich machen: Europa will keinen "Kampf der Kulturen"; das europäische Modell von Rechtsstaat und Demokratie ist auch eine Perspektive für Länder mit muslimischer Bevölkerung; Europa bekämpft den islamistischen Terrorismus gemeinsam mit seinen muslimischen Verbündeten. Die EU-Mitgliedschaft der Türkei dokumentiert gleichzeitig, dass die EU auch für die Konflikte des 21. Jahrhunderts das Modell einer Friedensordnung ist, so wie sie es in den vergangenen 60 Jahren für die Konflikte des 20. Jahrhunderts unter Beweis gestellt hat.

Pressekontakt:

Fuldaer Zeitung
Bernd Loskant
Telefon: 0661 280-445
Bernd.Loskant@fuldaerzeitung.de

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