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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Thilo Sarrazins Provokation

Bielefeld (ots)

Thilo Sarrazin hat ein Integrationsproblem.
Offenbar hat der frühere Berliner SPD-Finanzsenator nicht begriffen, 
dass im Vorstand der Bundesbank andere Umgangsformen herrschen als an
einem Kreuzberger Stammtisch. Wer daherschwadroniert, der Großteil 
der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins produziere »ständig
neue Kopftuchmädchen«, der hat sich für ein Amt an der Spitze einer 
staatlichen Finanzinstitution disqualifiziert. Eine solche Wortwahl 
mag einem Politiker als gewollte Zuspitzung erlaubt sein, einem 
Bundesbankdirektor aber steht sie nicht zu.
Den Rücktritt lehnt der Mann der markigen Sprüche ab. Also reagiert 
Bundesbankpräsident Axel Weber so, wie es den Umgangsformen seiner 
Institution angemessen ist: Er stellt Sarrazin durch den Entzug von 
Kompetenzen kalt.
Sarrazin hat mit seiner überzogenen Wortwahl, die durch seine 
Entschuldigung ja nicht aus der Welt ist, nicht nur sich selbst, 
sondern auch seinem Anliegen einen Bärendienst erwiesen. Denn wer das
umstrittene Interview in der Intellektuellenzeitschrift »Lettre 
International« vollständig liest, der kann seiner Analyse auf weiten 
Strecken durchaus folgen. 40 Prozent aller in Berlin geborenen Kinder
stammen seinen Worten zufolge aus Familien, die gerne als 
»bildungsfern« umschrieben werden. Sarrazin nennt sie »Unterschicht«.
Ohne Schulabschluss aber gibt es keine Aussicht auf Arbeit, ohne 
Arbeit kein Einkommen. 20 Prozent der Berliner Bevölkerung leben von 
Hartz IV - mehr als doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt und 
überdurchschnittlich viele Menschen türkischer Herkunft. Radikal, wie
es nun einmal seine Art ist, zieht Sarrazin daraus den Schluss: 
»Meine Vorstellung wäre: generell kein Zuzug mehr außer für 
Hochqualifizierte und perspektivisch keine Transferleistungen mehr 
für Einwanderer.«
Das klingt beinhart, löst aber nicht das Problem eines Teils der 15 
Millionen Einwanderer und ihrer Nachkommen, die heute schon in 
Deutschland leben. Anders als es namentlich die CDU noch in den 90er 
Jahren gebetsmühlenartig behauptet hatte, ist Deutschland längst ein 
Einwanderungsland. Es gibt Integrationserfolge - beispielsweise bei 
den meisten der etwa vier Millionen Aussiedler. Und es gibt 
Misserfolge, vor allem bei Menschen mit türkischen Wurzeln, wie nicht
zuletzt die jüngste Analyse des Berlin-Instituts für Bevölkerung und 
Entwicklung erwiesen hat. »Es ist noch immer kein gesellschaftlicher 
Konsens, dass wir ein Integrationsproblem haben«, sagt Heinz 
Buschkowsky (SPD), Bezirksbürgermeister von Neukölln.
Dieser seit Jahrzehnten währende Selbstbetrug der deutschen 
Gesellschaft muss ein Ende haben. »Wir brauchen Ganztagsschulen, die 
Kindergartenpflicht, und wir müssen die Schulpflicht mit Sanktionen 
durchsetzen«, fordert Bezirksbürgermeister Buschkowsky.
Damit wären gewiss noch nicht alle Probleme gelöst. Aber es wäre 
zumindest ein Anfang

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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