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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum VW-Urteil

Bielefeld (ots)

Da können sich Fernsehrichter wie Barbara
Salesch und Alexander Holt noch so anstrengen: Die Wirklichkeit ist 
immer ein Stück farbiger und spannender als das Geschehen auf der 
Mattscheibe. Wegen des durch die Angeklagten in den Gerichtssaal 
hereinscheinenden Rotlichts gilt das allzumal für die Prozesse gegen 
ehemalige VW-Manager.
Doch die wilden Partys, die großzügigen Geschenke, die Liebesreisen 
nach Brasilien und ähnlich lustvolle Aktivitäten, die nun 
richtigerweise von den Richtern Tat für Tat abgeurteilt werden, 
interessieren nicht nur wegen ihres Sensationscharakters. Wichtiger 
ist die Frage, ob hinter den persönlichen Verfehlungen ein System 
steht.
Im Falle von Volkswagen lässt sich diese Vermutung bestätigen. Mit 
den »Vergünstigungen« hat sich Personalvorstand Peter Hartz die 
Belegschaft gefügig gemacht. Es genügte, sich den Betriebsratschef zu
kaufen. Welche Belegschaft organisiert schon Widerstand gegen die 
eigene Vertretung im Betrieb?
Auf den ersten Blick erscheint das Ergebnis sogar aus 
Arbeitnehmersicht noch nicht einmal so schlecht. Mit Hilfe des 
»Systems Hartz« wurden bei Volkswagen zigtausend Arbeitsplätze 
gesichert und in der Kampagne »5000 mal 5000« sogar neue geschaffen. 
Dabei gehören die VW-Mitarbeiter unterm Strich nach wie vor zu den 
besserverdienenden Arbeitnehmern in Deutschland.
Trotzdem ist die VW-Affäre ein Lehrstück dafür, dass der Zweck nur in
Ausnahmefällen die Mittel heiligen darf. Am Ende ist nämlich nicht 
nur das Vertrauen der Belegschaft in die Führung - Vorstand und 
Betriebsrat - erschüttert. Solche groben Verstöße ruinieren auch 
allgemein den Glauben an eine saubere Wirtschaft. Die »da oben«, so 
das ohnehin verbreitete Gefühl vieler Menschen, stecken ohnehin den 
größeren Teil immer in die eigene Tasche.
Leider markieren die VW-Prozesse auch eher den Anfang als das Ende 
der langen Reihe »Wirtschaft vor Gericht«. Bei den Verfahren gegen 
korrupte Siemens-Manager werden noch viel höhere Geldbeträge zu 
verhandeln sein. Das wird, so viel steht bereits fest, nicht ohne 
großen Schaden für das Ansehen der Gesamtwirtschaft abgehen.
Ähnliches gilt beispielsweise für die Prozesse wegen Betrugs und 
Bilanzfälschung beim einst größten europäischen Möbelhersteller 
Schieder, die im Laufe dieses Jahres beginnen werden. Von der anderen
Prozessreihe gegen die Steuerhinterzieher in der 
Liechtenstein-Connection sind die Dimensionen erst in Umrissen 
erkennbar.
Trotz allem gibt es keinen Grund, nach der Politik- nun eine 
Wirtschaftsverdrossenheit herbeizuschreiben. Auch wenn noch mehr 
Einzelfälle zusammenkommen: Es bleiben vorläufig Einzelfälle. Die 
Mehrheit der Reichen verhält sich gesetzeskonform. Das gilt erst 
recht für die Arbeitgeber. Es wäre fatal, wenn als letzte Folge von 
»Wirtschaft vor Gericht« auch noch das positive Bild vom 
Arbeitsplätze schaffenden Unternehmer verloren ginge.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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