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NDR Info exklusiv: Bundeswehrpistolen auf Schwarzmärkten in Afghanistan und Pakistan Zitate aus der Meldung frei bei Nennung "NDR Info"

Hamburg (ots)

Sperrfrist: 12.10.2009 01:00
   Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
   Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.
Deutsche Pistolen aus Bundeswehrbeständen werden auf dem 
Schwarzmarkt in Afghanistan und Pakistan gehandelt. Nach Recherchen 
von NDR Info sind darunter Waffen aus einer Lieferung des 
Bundesverteidigungsministeriums von 10.000 Pistolen an die 
afghanischen Sicherheitskräfte. Afghanische und pakistanische 
Waffenhändler sagten zu NDR Info, es seien Hunderte deutscher 
Pistolen im Angebot. Weder die Bundesregierung noch eine zuständige 
US-geführte Sicherheitseinheit haben den Verbleib der Waffen 
verfolgt. Bündnis 90/Die Grünen bezeichneten die Vorgehensweise der 
Bundesregierung als "grob fahrlässig". Die Gewerkschaft der Polizei 
(GdP) sprach von einem "Risiko für die eingesetzten Deutschen" in 
Afghanistan. Beide fordern eine Untersuchung des Vorgangs.
Die deutschen Pistolen vom Typ Walther P-1 gelten in Afghanistan 
und Pakistan nach Auskunft von Experten und Waffenhändlern als 
Prestigeobjekte und werden zu Preisen von teilweise über 1000 Dollar 
gehandelt. So wurde eine fast 50 Jahre alte, aber nahezu unbenutzte 
Bundeswehrwaffe in Kabul für 1600 Dollar angeboten. Unter anderem 
verkaufen aktive und ehemalige afghanische Polizisten und Soldaten 
die Waffen illegal. Das bestätigten NDR Info Händler und ein 
Ex-Polizist, der seine Dienstwaffe Walther P-1 zum Kauf anbot. Nach 
UN-Angaben verlassen 20 bis 25 Prozent der afghanischen Polizisten 
jährlich die Sicherheitskräfte. Die deutschen Pistolen werden auch in
Nord-Afghanistan gehandelt, wo die Bundeswehr stationiert ist, sowie 
in der Nordwestgrenzprovinz Pakistans und den angrenzenden 
Stammesgebieten, wohin die Pistolen aus Afghanistan geschmuggelt 
werden.
Das Bundesverteidigungsministerium erklärte NDR Info, es habe den 
Altbestand von 10.000 ausgemusterten Walther-P1-Pistolen im Januar 
2006 "zur Ausrüstung der im Aufbau befindlichen Sicherheitskräfte" an
das afghanische Innenministerium übergeben, das die Waffen dann an 
Polizei und Armee verteilt habe. Über den weiteren Verbleib sei dem 
Bundesministerium nichts bekannt. Wie ein US-Armeesprecher in Kabul 
NDR Info mitteilte, hat das für die Kontrolle der Waffen zuständige 
"Combined Security Transition Command Afghanistan" (CSTC-A) die 
deutschen Pistolen in Empfang genommen. Das CSTC-A wird seit Jahren 
vom US-Rechnungshof GAO für seinen nachlässigen Umgang mit Waffen 
kritisiert. Die US-Einheit räumte gegenüber NDR Info ein, nur von 
4563 der 10.000 Pistolen detaillierte Aufzeichnungen zu haben. Der 
genaue Verbleib aller Waffen könne deshalb nicht nachvollzogen 
werden. Nach Recherchen von NDR Info waren deutschen Polizisten und 
Diplomaten 2005 die Zustände in der US-Einheit ebenso bekannt wie das
hohe Maß an Korruption und Fluktuation bei der afghanischen Armee und
vor allem der Polizei.
Der verteidigungspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im 
Bundestag, Winfried Nachtwei, sagte NDR Info, die Bundesregierung 
hätte bei der Lieferung der Pistolen alles dafür tun müssen, "dass 
der Endverbleib so sehr gesichert wird, wie es eben nur geht". Berlin
hätte sich nicht allein auf die Zusicherung der afghanischen 
Regierung verlassen dürfen. "Es ist eine grob fahrlässige 
Vorgehensweise, weil es gerade bei Lieferungen in instabile Länder 
mit wenig Rechtsstaatlichkeit blauäugig ist bis dorthinaus, einfach 
nur auf Papieren und Dokumenten zu bestehen." Nach Ansicht Nachtweis 
widerspricht dies "eindeutig der deklarierten Politik der 
Bundesregierung, überall gegen die Weiterverbreitung von Kleinwaffen 
und den illegalen Handel damit tätig zu werden". Kritik kommt auch 
von der Gewerkschaft der Polizei. Jörg Radek, im GdP-Bundesvorstand 
für Auslandseinsätze zuständig, sagte NDR Info: "Die Befürchtung ist,
dass solche Waffen natürlich auch in falsche Hände geraten. Es ist 
auch ein Risiko für die eingesetzten Deutschen, ein Risiko für die 
Sicherheit dort im Land." GdP und Grüne fordern von der 
Bundesregierung eine Untersuchung des Vorganges. "Schon im Interesse 
der von uns nach Afghanistan geschickten Polizisten, Soldaten, 
Zivilexperten ist es notwendig, dieses zumindest nachträglich 
aufzuklären", sagte der Grünen-Politiker Nachtwei, "denn es wäre ja 
wirklich absurd sondergleichen, wenn dort Soldaten durch von 
Deutschland fahrlässig gelieferte Waffen bedroht würden."
Nach NDR Info-Recherchen hatte der Bundessicherheitsrat 2005 den 
bislang einzigen deutschen Waffen-Export nach Afghanistan seit dem 
Sturz des Talibanregimes genehmigt. Die Berliner Regierung wich damit
von ihrem Grundsatz ab, wonach Waffen von der Ausstattungshilfe 
außerhalb der NATO ausgeschlossen sind. Der Bundestag erfuhr von der 
Lieferung erst nach der Übergabe. Von möglichen Risiken war dabei 
nicht die Rede. Dazu der Grünen-Politiker Nachtwei: "Insgesamt 
beschönigen und die heiklen Sachen dann möglichst unter dem Teppich 
zu lassen, das geht irgendwann immer nach hinten los. Das ist nach 
aller Erfahrung auch strohdumm." GdP-Vorstand Radek kritisierte die 
auf mehrere Bundesministerien und Ämter verteilten Zuständigkeiten: 
"Es ist für mich ein beredtes Beispiel dafür, dass wir es hier mit 
unorganisierter Verantwortlichkeit zu tun haben."
Rückfragen: NDR Info, Christoph Heinzle, Telefon: 040/4156 2885.
11. Oktober 2009

Pressekontakt:

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Telefon: 040 / 4156 - 2302
Fax: 040 / 4156 - 2199

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