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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition Fehlende Balance Hannes Koch, berlin

Bielefeld (ots)

Auch die neue Bundesregierung ist eine Wirtschaftsregierung. Die Prioritätensetzung ist eindeutig. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD beginnt mit den Kapiteln über die Wirtschaftspolitik. Da steht vieles, was Unternehmer gerne hören. Das Freihandelsabkommen mit den USA will die Koalition vorantreiben. Die Wirtschaftsförderung genießt große Beachtung - bis ins Detail werden Maßnahmen zugunsten aller möglichen Technologien durchbuchstabiert. Forschung und Entwicklung sollen mehr Geld bekommen, Daten- und Verkehrsinfrastruktur verbessert werden. Ja, hier und da will die Regierung auch neue Regulierungen einführen, die die Handlungsfreiheit der Wirtschaft etwas einschränken. Natürlich ärgert es viele Firmen, dass sie wegen des Mindestlohns bald höhere Lohnkosten verzeichnen. Aber insgesamt überwiegt der Eindruck, dass diese Regierung die Unternehmen in Ruhe arbeiten lässt. Hauptsache, sie erfinden, produzieren, machen Gewinne und bieten Arbeitsplätze. Dieses Wohlwollen gegenüber der Wirtschaft ist nicht neu. Es gehört zu den Konstanten der deutschen Politik. Aber ist wirklich nichts wichtiger als Wirtschaft? Richtig ist: Die Bürger wollen essen, wohnen und konsumieren. Für die Befriedigung dieser materiellen Bedürfnisse sorgen ganz wesentlich die kleinen und großen Betriebe, indem sie produzieren, verkaufen und etwa zwei Drittel ihrer Einnahmen als Lohn und Sozialbeiträge zugunsten der Arbeitnehmer ausschütten. Andererseits können die Unternehmen nicht effizient arbeiten, ohne dass der gesellschaftliche Rahmen stimmt. Sie sind daran gewöhnt, dass sie schnell und verlässlich Baugenehmigungen bekommen, ihre Beschäftigten über ausreichende EDV-Kenntnisse verfügen, um die millionenteuren Produktionsstraßen zu bedienen, und die Autobahn frei ist für die Lkw, die die fertigen Produkte abholen. Diese öffentlichen Güter stellen Gesellschaft und Staat zur Verfügung. Dazu gehört beispielsweise Sicherheit in juristischer, sozialer und polizeilicher Hinsicht, Bildung und Mobilität. Zu solchen Aspekten steht im Koalitionsvertrag zu wenig - und wenn sie erwähnt werden, zu wenig Konkretes. Zwischen der Ökonomie und ihren gesellschaftlichen Voraussetzungen fehlt die Balance. Ein Beispiel: Wie Ökonomen immer wieder vorrechnen, hat Deutschland während des vergangenen Jahrzehnts die Pflege seiner Infrastruktur vernachlässigt. Autobahnbrücken, Bahnhöfe, Straßen, Schulen - vieles ist marode und notdürftig geflickt. Weil das Internet in ländlichen Regionen zu langsam läuft, geht es für manchen Handwerker schneller, seinen Geschäftspartner persönlich zu besuchen, als ihm eine E-Mail zu schicken. Deshalb immerhin wurde Alexander Dobrindt (CSU) als Digital-Minister berufen. Trotzdem fehlen Dutzende Milliarden Euro jährlich, die nötig wären, den Rückstand des Landes aufzuholen. Woher das Geld kommen soll? Aus dem Wirtschaftswachstum, hofft die Koalition, ohne sich genauer zu erklären. Davor, dass der Staat trotz der scheinbar guten Finanzlage dramatisch unterfinanziert ist, verschließen Union und SPD die Augen. So verweigern sie sich dem Blickwinkel des Allgemeinwohls. Lieber orientieren sie sich an den Partikularinteressen, die ihnen die Wirtschaftsverbände vortragen. Wenn der augenblickliche Boom vorbei ist, könnte sich diese Sorglosigkeit der deutschen Wirtschaftsregierung rächen.

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