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Mit Merz zurück in die Zukunft/Der neue CDU-Chef muss die Partei einen, der abgestürzten Volkspartei ein klares Profil geben und das Verhältnis zur CSU klären. Kein leichter Job für den Konservativen.

Berlin (ots)

Friedrich Merz zum Dritten. Zwei Mal hatte sich der langjährige Gegenspieler von Angela Merkel erfolglos um den Parteivorsitz der CDU beworben. Einmal triumphierte Annegret Kramp-Karrenbauer, dann Armin Laschet. Die beiden Kurzzeit-Vorsitzenden der Christdemokraten hatten aber offenbar nicht das politische Format und wohl auch nicht das nötige Quäntchen Glück, um Wahlen zu gewinnen und das Kanzleramt zu verteidigen. Man muss dem 66-jährigen Merz zugutehalten, dass er über ordentlich Ausdauer verfügt. Nun wurde er am Wochenende, nach vorausgegangener Online-Abstimmung, im dritten Anlauf Vorsitzender der einstigen Kanzlerpartei. Doch dieses Votum bedeutet nicht nur Lorbeeren und persönliche Genugtuung, es doch auf Merkels Stuhl im Konrad-Adenauer-Haus geschafft zu haben, sondern vor allem verdammt viel Arbeit und Verantwortung. Die Christdemokraten stecken in der wahrscheinlich tiefsten Krise ihrer über 75-jährigen Geschichte. Der CDU droht der Absturz als Volkspartei, wie ihn zahlreiche konservative Parteien in Westeuropa durchmachen mussten. Und sie sind politisch eingezwängt zwischen der "Fortschritts"-Ampel und der rechtspopulistischen AfD.Das Kernproblem der Christdemokraten ist derzeit aber nicht die häufig wechselnde Parteispitze, sondern vor allem die Unklarheit, wofür die Nach-Merkel-Partei heute steht. Die abgetretene CDU-Chefin und Ex-Kanzlerin hat das, was man den Markenkern der konservativen Partei nennt, zur Beliebigkeit verkommen lassen. Merkel hat, um nur einige wichtige Punkte zu nennen, nicht nur die Wehrpflicht de facto abgeschafft, die Kernkraft geschleift und den Kohleausstieg auf den Weg gebracht, sondern auch in der Flüchtlingspolitik einen Kurs eingeschlagen, der von vielen bislang konservativen Wählern und Wählerinnen nicht mitgetragen wird. Solange Merkel die SPD in der Umarmung einer großen Koalition klein halten konnte, fiel das nicht weiter auf. Die Macht blieb dennoch erhalten.Doch mit dem Wahldesaster vom September 2021 auf den Schultern kann es für Merz keinesfalls ein Weiter-so geben. Er muss die tief verunsicherte Partei wieder einen, ihr ein klares Profil geben, sie wieder aufrichten. Der neue Parteichef muss aufzeigen, wo die CDU in Grundsatz- und in den Tagesfragen der Politik eigentlich steht, klarmachen, was heute konservativ bedeutet. Das ist freilich leichter gesagt als getan. Dabei hat die CDU ihre neue Rolle als Oppositionspartei im Bundestag noch nicht gefunden. Und nur auf Fehler der Ampel zu hoffen, etwa beim jetzigen Hickhack um die Impfpflicht oder in der Ukraine-Krise, ist zu wenig. Über kurz oder lang muss Merz auch nach dem Vorsitz der Unionsfraktion greifen, wenn er seinen Job als Parteichef ernst nimmt und ein wirkliches, auch persönliches Gegengewicht zu Kanzler Olaf Scholz darstellen will. Allerdings sollte der Sauerländer dabei behutsam vorgehen und persönliche Verletzungen möglichst klein halten. Die eigene Erfahrung, als ihn vor 20 Jahren Merkel höchst unsanft von der Fraktionsspitze verdrängte, sollte ihm Mahnung genug sein.Zugleich erwächst dem neuen CDU-Chef die Aufgabe, ein vernünftiges, pragmatisches Verhältnis zur bayerischen Schwesterpartei herzustellen. Schöne Bilder mit Markus Söder auf einem Bootssteg am See reichen dazu nicht aus. In seiner Rede am Wochenende hat Merz die CSU gemahnt, 2021 dürfe sich nicht wiederholen. Was genau er damit meinte, ließ er freilich offen. Die Landtagswahlen in diesem Frühjahr und erst recht die Wahl in Bayern im Herbst 2023 werden auch für Merz der Lackmustest sein. Kann sich die CDU erholen, kann auch die CSU wieder zulegen, dann ist er der richtige Mann für die Zukunft der Union. Wenn nicht, dürften seine Tage als Parteichef gezählt sein.

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