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Ein schwieriger Abschiedsbesuch
Die scheidende Kanzlerin war oft in Moskau. Sie hat den Gesprächsfaden zu Putin nie abreißen lassen, auch wenn die Differenzen, wie derzeit, tiefgreifend sind.

Regensburg (ots)

Es mag ein kalendarischer Zufall sein, dass Angela Merkel ihre womöglich letzte Reise zu Kremlchef Wladimir Putin ausgerechnet genau ein Jahr nach der Vergiftung des Regimekritikers Alexej Nawalny absolvierte. Das Attentat und die spätere Verurteilung, nach seiner Rückkehr aus Deutschland, hat die Beziehungen zu Russland schwer belastet. Und das rüde Vorgehen der russischen Administration gegen Kritiker, kritische Medien oder gegen Nicht-Regierungsorganisationen, die nicht nach Putins Pfeife tanzen, erschwert das Verhältnis weiterhin.

Kein Zufall ist es hingegen, dass die scheidende Kanzlerin immer wieder das Gespräch mit Moskau sucht. Auch und gerade wenn, wie derzeit zu beobachten, die Differenzen erheblich und tiefgreifend sind. Nicht miteinander zu sprechen, sei keine Option, meinte Merkel trocken. Diesem richtigen Motto ist sie in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft treu geblieben. Das haben übrigens deutsche Kanzler, von Adenauer bis Brandt und Kohl, ebenso gehalten. Vor allem deshalb, weil Russland - und die vormalige Sowjetunion - ein wichtiger politischer Faktor in Europa und weltweit ist, militärisch, sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und strategisch. Unvergessen ist etwa, wie Franz Josef Strauß auch in den Hochzeiten des Kalten Krieges zu Gesprächen nach Moskau flog. Das Flugzeug steuerte er dabei eigenhändig. Merkel, die gut Russisch kann, und Putin, der seit seiner KGB-Zeit in Dresden Ende der 80er Jahre ebenso gut Deutsch spricht, hat dabei nie so etwas wie eine politische Freundschaft verbunden. Anders als dies bei Helmut Kohl und Boris Jelzin oder bei Merkels Vorgänger Gerhard Schröder und Putin der Fall war. Doch der Präsident und die Kanzlerin haben einander akzeptiert. Wohl mit keinem anderen Staatschef hat Merkel so oft telefoniert wie mit dem jetzigen Kremlchef. Solche Gespräche waren zwar nicht immer erfolgreich, haben jedoch oft Konflikten die Spitze nehmen können. Und dass Merkel nie den historischen Hintergrund der deutsch-russischen Beziehungen vergaß - sie besuchte jetzt erneut das Grabmal des Unbekannten Soldaten in der Nähe des Kreml - kam in Russland gut an, half das Gesprächsklima zu verbessern.

Dabei ist die Liste politischer Konflikte sehr lang, über die beide Seiten zu reden haben, an deren Lösung, und sei es nur an einer Entkrampfung der Lage, Moskau beteiligt sein muss. Von Afghanistan, Syrien, der Ukraine bis Belarus. Am Hindukusch kreuzen sich die Interessen Berlins und Moskaus insofern, dass beide Seiten dort Stabilität und keine Rückkehr von internationalen Terroristen haben wollen. Zum jetzigen Desaster der Nato in Afghanistan meinte Putin, dass die Nato-Mission doch nicht komplett gescheitert sei. Die Sowjetunion, die unter dem damaligen Staats- und Parteichef Leonid Breshnew in den 80er Jahren in das Nachbarland einmarschiert war, um in Kabul eine kommunistische Regierung zu installieren, war seinerzeit nach zehn Jahren und vielen Toten ebenso kläglich gescheitert. Der gewiefte Fuchs Putin führte jedoch das jetzige Scheitern des Westens als Beweis dafür an, dass keinem Land eine andere Ordnung von außen aufgezwungen werden könne. Zweifellos zielte er damit vor allem auf die Kritik des Westens an seiner "gelenkten Demokratie".

Ebenso schlitzohrig verhielt sich Putin, wenn es um die Gasgeschäfte des russischen Staatskonzerns Gasprom geht. Er lobte Merkel, die ohne jedes Wackeln zur bald fertig gestellten Gasröhre Nordstream 2 steht und sich dabei auch nicht von Drohungen aus Washington kirre machen ließ. Ob allerdings Russland, neben den zwei Leitungen durch die Ostsee nach Deutschland, auch weiterhin Gas durch und in die Ukraine leiten werde, ließ der Kremlchef im Ungefähren. Das hänge schließlich davon ab, ob und wie viel russisches Gas Westeuropa beziehen wolle. Auch Merkels Nachfolger im Kanzleramt wird es mit Putin nicht leicht haben.

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