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Der Schlamassel an der Grenze
Jeder Tag, an dem Grenzen in Europa schwer zu überwinden sind, schmerzt. Das Abschotten ist dennoch fürs Erste richtig. Einen Freibrief auf Dauer gibt es aber nicht.

Regensburg (ots)

Die Medizin ist bitter und hat viele böse Nebeneffekte: Wie sehr das Abschotten Bayerns gegenüber den Virus-Mutations-Gebieten Tschechien und Tirol Pendler, Unternehmer, aber auch durch die Grenze getrennte Familien belastet, zeigen die heftigen Proteste. Die strengen Maßnahmen haben allerdings fürs Erste ihre Berechtigung. Denn sie beruhen auf einer ernsten Diagnose. Hochinfektiöse britische und südafrikanische Virusvarianten bergen das sehr konkrete Risiko, dass sich hart erkämpfte Erfolge des zweiten Lockdowns in Luft auflösen. Die Grenzkontrollen werden das Überspringen der Covid-19-Mutanten auf Bayern letztlich nicht stoppen, sie können aber die Ausbreitung bremsen. Es ist ein Zeit gewinnen, bis mehr Klarheit über die Gesamtlage und funktionierende Gegenstrategien herrscht. Für jedermann verfügbare und sichere Corona-Schnelltests könnten ein wichtiger Baustein sein. Einen Freibrief für ein Abriegeln der Grenze auf Dauer gibt es aber nicht. Für den Moment sprechen die Fakten für sich: Im Fall Tschechien sind das - neben den zirkulierenden Virus-Mutanten - landesweit hohe Sieben-Tages-Inzidenzen im 500-er Bereich inklusive grenznaher Hotspots, die weit über diese Marke hinausschnellen. Hinzu kommt die politische Note: Zumindest die Parlamentsmehrheit in Tschechien unterschätzt derzeit die Eigendynamik der Pandemie, wie der kürzliche Beschluss zum Aufheben des Corona-Notstands beweist. Die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Andrej Babis konnte diesen Irrweg nur im Schulterschluss mit allen Verwaltungsregionen beenden. Sonst hätten jenseits der Grenze seit Montag wohl wieder Geschäfte und Restaurants geöffnet. Frappierende Sorglosigkeit zählt auch zu den Unsicherheitsfaktoren im österreichischen Bundesland Tirol, sie grassiert dort ähnlich stark wie die südafrikanische Virusvariante. Selbst Warnungen der eigenen Bundesregierung in Wien wurden zuletzt unwirsch abgetan. Das nährt Befürchtungen, dass sich die Corona-Mutanten dort ungehemmt ausbreiten könnten. Die nächsten beiden Wochen werden zeigen, wie stark die Folgen sind. Grenznähe zählt in Corona-Zeiten generell zu den Risikofaktoren. Das funktioniert selbstverständlich in beide Richtungen: Mal gehen von Bayern größere Gefahren aus, mal ist es umgekehrt - wie gerade im Moment. Beim Hotspot Tirschenreuth spielt mit Sicherheit die Nachbarschaft zum Hotspot Cheb eine Rolle, obwohl die Misere weitere Gründe haben muss. Es schaut schließlich nicht in allen Grenz-Landkreisen gleich schlecht aus. Die Region Cham, in der Landrat Franz Löffler früh wachsam gewesen ist, liegt zwar längst nicht im grünen Bereich, schneidet aber deutlich besser ab. Europarechtlich betrachtet sind Grenzkontrollen nicht zu beanstanden. Sie folgen Regeln, die Brüssel selbst festgesetzt hat. Den Landratsämtern bleibt gerade der undankbare Job, genau zu definieren, welche Unternehmen systemrelevant sind und damit von Einschränkungen ausgenommen. Sie dürfen sich auch die Watschn von denen abholen, die durchs Raster fallen. Zum Start holperte es kräftig. Ein Widerspruch zu den "praktikablen" Lösungen, die Regierungschef Markus Söder in Aussicht stellte. Viele spüren davon gerade nicht viel. Es trifft Pendler, die schwer oder gar nicht zur Arbeit kommen. Es trifft Lkw-Fahrer, für die der Grenzwechsel in langen Staus zur Tortur wird. Es trifft Unternehmer, die ihre Kunden ohne eigenes Verschulden auf vereinbarte Dienstleistungen warten lassen müssen.Das Abschotten gilt vorerst bis 23. Februar. Verlängerung: wahrscheinlich. Jeder weitere Tag muss gut begründet sein. Die Messlatte ist: Nebenwirkungen dürfen den Nutzen nicht übertreffen.

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