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Leitartikel zu Söder/K-Frage: Eine Frage der Inszenierung von Jana Wolf

Regensburg (ots)

Markus Söder ist gut darin, wirkungsvolle Bilder zu produzieren: Angela Merkel lächelnd neben dem Ministerpräsidenten an Deck eines Chiemseeschiffes. Davor die wehenden Bayern-, Deutschland- und Europa-Fahnen im Wind, dahinter die Bergkulisse. Besser hätte Söder den Besuch der Kanzlerin im Landeskabinett, das an diesem Dienstag extra für die Fotos auf Schloss Herrenchiemsee tagte, nicht für sich nutzen können. Dass es bei Merkels Auftritt primär um die Agenda der EU-Ratspräsidentschaft gehen sollte, trat da schnell in den Hintergrund. Im Vordergrund stand Söders Show und die unweigerlich damit verbundene Frage nach der Kanzlerkandidatur. Sendet der Franke vom Chiemsee nun das Signal: Leinen los Richtung Berlin? Oder soll die weiß-blaue Inszenierung das Söder'sche Credo "Mein Platz ist in Bayern" untermauern? Beide Interpretationen sind möglich, beide bewusst einkalkuliert. Gerade diese Doppeldeutigkeit macht Söders Strategie geschickt. Sie ist geschickt, aber auch dick aufgetragen. Nicht nur wegen des vielen Golds und der Lüster im Spiegelsaal des Schlosses, sondern auch wegen der Symbolkraft des Ortes. In Herrenchiemsee wurde 1948 das Fundament für das Grundgesetz gelegt. Gerade in Zeiten der Pandemiebekämpfung steht das Grundgesetz unter Beschuss und muss besonders behütet werden. Bundes- wie Landesregierungen griffen zeitweise so stark in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger ein, dass manch einem Verfassungsrechtler angst und bange wurde. Söder hat in Bayern einen besonders strikten Kurs verfolgt und sich damit klar gegen NRW-Ministerpräsident Armin Laschet positioniert, der stets für schnellere Lockerungen plädierte. Söder als Hardliner versus Laschet als Freiheitsschützer? Dieser Eindruck soll sich nach dem Willen des Bayern auf keinen Fall verfestigen. Deswegen inszeniert er fleißig dagegen an. Aktuelle Umfragen sprechen für ihn. Zwei Drittel der Deutschen halten Söder für einen guten nächsten Bundeskanzler, unter den Unionsanhängern denken sogar vier Fünftel so. Damit führt Söder klar im Kanzler-Ranking und hängt die anderen Unionskandidaten weit ab. Auch Friedrich Merz, der auf Platz zwei hinter Söder rangiert, weiß um die Macht der Inszenierung - doch sie mag ihm nicht gelingen. Sein jüngstes Porträt im "Spiegel" im grünen Anzug mit grüner Krawatte sieht eher nach schwarz-grüner Anbiederung aus, denn nach ernsthaftem politischen Erneuerungswillen. Dass Modernisierung bei ihm keine Priorität hat, zeigt auch Merz' Äußerung zur geplanten Frauenquote der CDU, die er als "zweitbeste Lösung" kleinredete. Merz haftet das Bild eines Kandidaten von gestern an. Laschet dagegen steht in Exekutiv-Verantwortung und ist als Krisenmanager präsent. Allerdings hat er diese Sichtbarkeit anders als Söder nicht für sich zu nutzen gewusst. Auch der von seiner Regierung verhängte Lockdown im Kreis Gütersloh, den ein Gericht nun wieder kippte, schadet der Glaubwürdigkeit zusätzlich. Vertrauen ist schneller verspielt als gewonnen. Bleibt Norbert Röttgen, der von Anfang an als wenig aussichtsreicher Kandidat galt. Dass Söder ihn nun als "einen sehr jungen und auch dynamischen und nicht zu unterschätzenden" Kandidaten lobte, bestätigt die Außenseiter-Rolle. Einen ernstzunehmenden Konkurrenten würde Söder niemals so über den Klee loben. In Sachen Inszenierung kann bislang keiner der CDU-Kandidaten Söder das Wasser reichen - so viel steht fest. Die Schwäche der anderen bedeutet aber längst nicht, dass Söder Kanzlerkandidat wird. Zu viel Kraftmeierei und Selbstbewusstsein kann ihm schnell auch als Überheblichkeit ausgelegt werden. Wirklich gute Inszenierung braucht Fingerspitzengefühl.

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