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Mittelbayerische Zeitung: Seehofers Schmerzgrenze
Der Machtkampf war brutal, nun sind die Tage des CSU-Chefs und Bundesinnenministers in der Politik gezählt. Er war zuletzt ein Getriebener.

Regensburg (ots)

In der CSU hatten sie schon gar nicht mehr an seinen Rückzug geglaubt - nun wirft Horst Seehofer doch das Handtuch. Seine Schmerzgrenze war nach einem brutalen Machtkampf erreicht. Er, der seinen Abgang immer nach eigenen Regeln und im eigenen Tempo vollziehen wollte, war am Ende ein Getriebener. Das Verkünden seines baldigen Abgangs überließ er am Sonntag Parteikreisen. Er selbst wird sich erst im Laufe der Woche erklären. Eine letzte kurze Zeitspanne an der Parteispitze trotzte er seinen Widersachern noch ab: Der CSU-Sonderparteitag mit Neuwahlen findet erst Anfang 2019 und nicht bereits im Dezember statt. Sein Ende als Bundesinnenminister ist zunächst ohne Termin, aber zwangsläufig. Seehofer stand am Ende isoliert da. CSU-Bezirkschefs, Junge Union, viele andere Parteiuntergliederungen und weite Teile der Basis hatten sich von ihm abgewandt. Als auch der frühere Ministerpräsident und CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber am Sonntag den Daumen senkte, war das politische Ende Seehofers besiegelt. Stoiber hatte lange eher mäßigend eingegriffen, trotz seiner persönlichen Nähe zum neuen starken CSU-Mann Markus Söder - zu frisch die Erinnerung, wie er 2007 in Kreuth selbst abgesägt worden war. In Machtkämpfen kennt die CSU keine Gefangene. Für Seehofer rächt sich, dass er in knapp zehn Jahren als Ministerpräsident und noch ein wenig länger als Parteichef selbst oft nicht zimperlich gewesen ist: Die CSU-Landtagsfraktion, die bisweilen politisch in die Irre läuft, bremste er in diesen Fällen nicht hinter verschlossenen Türen, sondern blamierte sie öffentlich. Den früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ließ er in der Edathy-Affäre ziemlich ungerührt über die Klinge springen. Er ließ auch nichts unversucht, den Aufstieg Söders zu verhindern, dessen politisches Talent er erkannte, den er aber im Grunde bis heute für höhere Ämter als charakterlich ungeeignet betrachtet. Es hatten sich also viele offene Rechnungen angesammelt. Bei der Krisensitzung am Sonntag wurde es ihm heimgezahlt. Es ist ein hartes Ende für einen Politiker, der nach seinem Wechsel von Berlin nach Bayern im Jahr 2008 über viele Jahre unanfechtbar war: Er holte der CSU 2013 die absolute Mehrheit im Landtag zurück, startete einen neuen Dialog mit den Bürgern, räumte ohne viel Federlesens Streitthemen wie den Donauausbau ab. Erst in der Flüchtlingskrise verließ ihn die politische Fortune. Dabei war sein Ärger über Kanzlerin Angela Merkel, die das Ausmaß der Herausforderung lange unterschätzte, berechtigt. Doch je mehr er sich in diesen Ärger verbiss, umso mehr setzte er sich selbst ins Unrecht und verlor die Leichtigkeit und den Charme, die ihn oft auszeichneten. Das prägte auch die Zeit als Bundesinnenminister, in der er in Rekordzeit Sympathien bei den Bürgern verspielte. Diese frühere Leichtigkeit - sie ist ihm zurückzuwünschen, jetzt auf den letzten Metern seiner Karriere. Auch wenn die Macht nun wohl ausgerechnet in die Hände seines größten Gegners Markus Söders wandert. Seehofers Loslassen am Sonntag, wenn auch auf Druck, war dafür vielleicht der Anfang. In der CSU brechen nun bald die von vielen Seiten ersehnten neuen Zeiten an. Ob es bessere Zeiten werden, muss sich erst zeigen. Mit dem Abgang Seehofers ist neuer Erfolg nicht vorprogrammiert. Söder steht für Elan und Durchsetzungskraft. Er polarisiert aber auch. Ihm fehlen immer wieder die wichtigen Zwischentöne. Die neue Bayern-Koalition, die ab dieser Woche den Freistaat regiert, lässt zumindest bisher Feingefühl vermissen. Die Regierung ist eben nicht nur für die konservative Mehrheit da, sondern auch für die rund 35 Prozent der Menschen, die im Oktober Grüne, SPD, FDP oder Linke gewählt haben. Söder muss wissen: Für alles, was er nun falsch macht, gibt es nicht mehr Seehofer als Sündenbock.

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