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Mittelbayerische Zeitung: Seehofers Stärke ist allein an Erfolge geknüpft
Die Amtszeitverlängerung durfte er im Alleingang beschließen. Die CSU erwartet dafür, dass er Siege liefert. Leitartikel von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Es hat nun wirklich niemanden mehr überrascht, dass Horst Seehofer als Ministerpräsident und CSU-Chef über 2018 hinaus in die Verlängerung gehen will. Die Nachricht von Montag ist dennoch spannend, denn sie sagt viel über den Zustand der CSU im Frühjahr 2017. Einer Partei, in der der Chef so stark ist, dass auch der ehrgeizige Kronprinz Markus Söder fürs Erste nicht an Revolte denkt. Einer Partei, in der trotz all der viel beschworenen Vier-Augen-Gespräche Seehofer über das eigene Weitermachen quasi im Alleingang entscheiden konnte - und das auch noch kräftig ermuntert durch eine ganze Riege früherer CSU-Granden. Einer Partei, in der Innenminister Joachim Herrmann zwar als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl firmiert, aber Seehofer das eigentliche Gesicht der CSU bleibt. Es ist allerdings nur eine scheinbar kommode Position. Seehofer weiß genau, dass die Luft an der CSU-Spitze immer sehr dünn ist. Rückhalt in der Partei ist einzig an Erfolge geknüpft. Das wird in der CSU noch brutaler als anderswo durchexerziert. Denn der Kurswert der CSU steht und fällt mit der absoluten Mehrheit im Freistaat und einer Regierungsbeteiligung in Berlin. Schwächelt die Partei im Herbst bei der Bundestagswahl, gerät Seehofers Ausnahmestellung rasch ins Wackeln. Ein Misserfolg würde ihm angelastet. Wer das Ruder so stark wie er in der Hand hält, verfügt nicht nur über viel Macht. Er trägt auch die meiste Verantwortung. Insofern kann es Söder für den Moment verschmerzen, dass Seehofer in der CSU die Nummer Eins bleibt. Zu unklar ist, wie die Bundestagswahl ausgeht. Das Parteiengefüge ist so stark in Bewegung, dass selbst die Grünen gegen den Abwärtstrend kämpfen und in Umfragen bei sechs bis sieben Prozent herumkrebsen. Politische Erbhöfe gibt es für die Parteien nicht. Innenminister Herrmann als Spitzenkandidaten zu nominieren, ist jedenfalls ein geschickter Schachzug. Sicherheitspolitik ist Wählern wichtig. Das gilt von der Abwehr von Terrorgefahren bis zum Schutz vor Einbrüchen. Wenn die CSU bei einer Regierungsbildung in Berlin im Herbst mitzureden hat, kann sie mit dem profilierten Herrmann das einflussreiche Innenressort für sich beanspruchen. In der CSU rechnen allerdings viele damit, dass der Franke nur in diesem Fall nach Berlin wechselt, ansonsten in Bayern bleibt. Eine schlechte Nachricht für das Söder-Lager, das Herrmann in der Bundeshauptstadt schon sicher verräumt hofft. Gedankenspiele dieser Art sind ein klares Indiz, dass die Nachfolgefrage in der CSU durch Seehofers Entscheidung nur vertagt ist. Mit der Amtszeitverlängerung bremst der CSU-Chef den ungeliebten Kronprinzen aber mittelfristig aus. Kein anderer in der CSU hätte derzeit die Kraft dazu. Für Seehofer ist es ein gewünschter Zeitgewinn, damit andere Kandidaten bis zur potenziellen Nachfolge an einem fernen Tag X an Statur gewinnen. Wer dabei schon jetzt sehr gut im Geschäft ist, ist der CSU-Vize und Europapolitiker Manfred Weber. Wie Söder ist er ein versierter Netzwerker, wenn auch auf die leisere Art. Er hat ein starkes außenpolitisches Profil, ist auf Bundesebene gut unterwegs. Sein Schwachpunkt ist allein, dass er in Bayern nicht so bekannt wie der ehrgeizige Finanzminister. Söder arbeitet hart daran, damit die Konkurrenz auf Distanz bleibt. Er, der einen Wechsel nach Berlin kategorisch ausgeschlossen hatte, auch weil er zu Recht fürchtete, auf diesem Weg von Seehofer elegant entsorgt zu werden, wird im Bundestagswahlkampf einen Marathon an Auftritten absolvieren. Fast wie ein Spitzenkandidat, auch wenn er in diesem Fall partout keiner sein will.

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