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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Trump: Keine Zeit zu verlieren von Thomas Spang

Regensburg (ots)

Der letzte Anruf Barack Obamas aus dem Weißen Haus galt Angela Merkel. Nach einem holprigen Start hatten der Präsident und die Bundeskanzlerin über die Jahre ein enges, freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Bei seinem Abschiedsbesuch in Berlin drückte Obama ihr die Stafette in die Hand. Von nun an, so die implizierte Botschaft, werde sie die Rolle der "Führerin der Freien Welt" übernehmen müssen. Obama ahnte, warum. Der erste Anruf Donald Trumps bei der Kanzlerin erfolgte nach einer Woche, in der der neue US-Präsident die schlimmsten Befürchtungen bestätigte. Der neue Präsident meint, was er im Wahlkampf zu den frenetischen Sprechchören seiner Anhänger gefordert hatte: den Bau der Mauer, den Einreise-Bann für Muslime und den Protektionismus im Handel. Trump verabschiedet sich im Eiltempo aus der liberalen Werte-Gemeinschaft des Westens und zelebriert den autoritären Nationalstaat, der nicht auf Kooperation sondern Konfrontation setzt. Den Multilateralismus der Nachkriegsordnung will er ersetzen durch ein Netz an bilateralen Vereinbarungen, die immer zugunsten der Vereinigten Staaten gestaltet sein sollen - Amerika über alles. Laserscharf haben Trump und sein Chefberater Stephen Bannon in ihrem Freund-Feind-Schema der Welt Deutschland ins Visier genommen. Der Exportweltmeister ist in ihrer Wahrnehmung nicht der Brückenkopf und Stabilitätsanker für Europa, sondern ein Konkurrent, den es zu schwächen gilt. Nichts anderes hat sich der neue Präsident vorgenommen, der die Nato seit Jahren als "obsolet" bezeichnet, die Europäische Union jüngst als "Konsortium" abmeierte und mit Wladimir Putin flirtet, der mit Besetzung der Krim als erster ein Tabu der Nachkriegsjahre verletzt hatte. Dass Trump offen Muslime diskriminiert, die einen Pass aus sieben mehrheitlich islamischen Ländern haben, ist ein Schlag ins Gesicht der westlichen Werte-Gemeinschaft. Und ein neuer Affront gegen Merkel, die er seit Monaten wegen ihrer Flüchtlingspolitik angreift. Genauso hat es die Bundeskanzlerin auch verstanden, die am Tag nach der Verhängung des Muslim-Banns dem "America-First"-Präsidenten am Telefon ihr Missfallen ausdrückte. Gewöhnlich bleiben solche Missstimmigkeiten unter der Decke. Doch in diesem Fall ließ Merkels Sprecher die ganze Welt davon wissen. In Berlin dämmert die Erkenntnis, dass es bei dem Tempo, mit dem Trump zu Werke geht, nicht viel abzuwarten gibt. Der neue deutsche Außenminister Sigmar Gabriel bringt das auf eine klare Formel. "Ich glaube, wir müssen uns warm anziehen." Wohl wahr. Trump versucht aktiv, Europa zu spalten, um Deutschland zu schwächen. Dafür bastelt sein ultra-nationalistischer Chefstratege Bannon an einer "rechten Internationalen". Der ehemalige Breitbart-Chef setzt sein früheres Unternehmen als privaten Agitprop-Arm ein, der mit neuen Satelliten in Berlin und Paris zum Info-Krieg gegen Merkel bläst. Parallel dazu kooperiert das Weiße Haus von UKIP über die Front National und FPÖ bis hin zur AfD mit Europas Rechtspopulisten. Die lassen sich im Namen eines angeblichen "nationalen Interesses" vor den Karren Trumps und Putins spannen, die beide kein starkes Europa wollen, und deshalb alles daran setzen, die EU zu zerstören. Genau darum geht es dem neuen Präsidenten, derin seinem Interview mit der "Bild"-Zeitung und der "London Times" die EU als nicht viel mehr als ein "Gefährt für Deutschland" denunzierte und die Europäische Union zuletzt abfällig als "das Konsortium" schmähte. Angesichts dieser Realitäten brauchen Deutschland und Europa dringend einen Plan B, der nicht von der bloßen Hoffnung lebt, Trump lasse sichschon irgendwie einhegen. Die strategische Herausforderung dabei bleibt, die Brücke über den Atlantik für die kommenden vier Jahre vor dem Einsturz zu bewahren.

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