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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Heinz Gläser zu Fifa/DFB

Regensburg (ots)

Ist der Fußball noch zu retten? Seltsame Frage. Pumperlgsund ist er, der Fußball, und er strotzt vor ökonomischer Kraft. Für den Restsport hierzulande stellt sich die Frage angesichts des Hamburger Olympia-Desasters eher andersherum: Wer rettet uns vor dem Fußball? Die Leichtathleten, Hockeyspieler und Kanuten sind die armen Schlucker, die sich mühsam von den Brosamen ernähren, die vom Tisch von König Fußball fallen. Dass der DFB in eigener Machtvollkommenheit seine Bewerbung um eine Heim-EM 2024 auf den Weg brachte, ohne sich groß um die Olympia-Ambitionen im gleichen Jahr zu scheren, war eine sportpolitische Flegelei sondergleichen - und ein Ausdruck der drohenden sportlichen Monokultur im Land. Irgendwann könnte im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) die Einsicht reifen, dass der Profifußball unter seinem Dach gar nichts mehr zu suchen hat. Ist der Fußball noch zu retten? Trotzdem wird diese Frage im Lichte der Skandale auf nationalem und internationalem Parkett nun allenthalben gestellt. Die juristische Fakultät an der Universität Regensburg ging dem Thema kürzlich bei einer Podiumsdiskussion auf den Grund. Die nicht enden wollenden Affären lösen Kopfschütteln aus, gewiss. Doch wies Bundesverfassungsrichter a. D. Udo Steiner bei dieser Gelegenheit zurecht auf ein Dilemma hin. Der Ruf der Fifa mag ja nachhaltig ramponiert sein, aber man kann es drehen und wenden, wie man will: Es geht auch künftig nicht ohne eine Instanz, die die Interessen von 209 Mitgliedsverbänden bündelt und die Regeln des Spiels definiert. Abseits des täglichen Getöses um immer neue Enthüllungen treten Konflikte im Weltfußball zutage, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten schwelen. Im Rennen um die Nachfolge von Präsident Sepp Blatter kollidieren die Interessen der reichen Europäer mit denjenigen ärmerer Fußball-Länder, die sich vom Alten Kontinent schon immer bevormundet fühlen. Die mächtige Vereinigung des europäischen Topklubs mault derweil laut vernehmbar, weil sie sich im beginnenden Fifa-Reformprozess übergangen fühlt. Auch national brechen sich im Gefolge der Sommermärchen-Affäre latent vorhandene Konflikte Bahn und münden in Grabenkämpfe. Profis und Amateure erkennen aktuell, dass ihr Vorrat an gemeinsamen Interessen zur Neige geht. Die Lager beharken sich in der Frage, wer den über ein Kommunikationsdebakel gestürzten Präsidenten Wolfgang Niersbach beerben soll. Damit nicht genug, wuchert der Spaltpilz im Kreis der scheinbar so betuchten Profiklubs. Im Kampf um die Verteilung der Fernsehgelder macht nicht nur Branchenprimus Bayern München mobil. Der Vorstoß des FC St. Pauli, die ungeliebten Werksklubs nicht mehr am TV-Kuchen partizipieren zu lassen, war mitnichten Folklore, sondern ein Indiz dafür, dass die Solidarität auf breiter Front bröckelt. Aufhorchen lassen zudem Stimmen aus der deutschen Politik, die fordern, die Sonderbehandlung für die lange gehätschelten Fußballer zumindest zu hinterfragen. Dabei geht es um die Steuerbefreiungen bei Großereignissen, dabei geht es um die Kosten von Polizeieinsätzen, dabei geht es auch um die Frage der Gemeinnützigkeit. Aus all dem zu schließen, dass das Fußball-Imperium wankt, wäre voreilig. Nein, der Fußballsport muss nicht gerettet werden. Aber er muss sich neu aufstellen. Denn er leidet, wie so viele Imperien in der Geschichte, an seiner Maßlosigkeit und dem Überdehnen seiner Macht.

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