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Mittelbayerische Zeitung: Beistand oder Wahnsinn?
Die große Mehrheit im Bundestag für den Einsatz in Syrien täuscht nicht über die tiefen Zweifel hinweg. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Im Krieg verlieren alle, auch die Sieger, besagt ein schwedisches Sprichwort. Gestern hat der Bundestag mit einer überwältigenden Koalitionsmehrheit den Bundeswehreinsatz zur Bekämpfung des islamistischen Terrors in Syrien beschlossen. Doch das klare Votum täuscht darüber hinweg, dass viele Parlamentarier ihr Ja mit erheblichem Bauchgrimmen, mit tiefen Zweifeln abgegeben haben. In dieser Frage gibt es bei vielen eine innere Zerrissenheit. Im Parlament, genauso wie im Rest der Bevölkerung. Man will etwas tun, man muss etwas tun gegen die bestialisch mordenden IS-Krieger. Doch was ist das Richtige? Auch der jetzige Bundeswehreinsatz, der aus Bündnisräson gegenüber Paris zustande kam, wird von bohrenden Fragen und tiefen Zweifeln begleitet. Zerrissen ist auch die Bundesregierung. Einerseits kann sie sich nicht den drängenden Bitten von François Hollande entziehen. Wenn Berlin in dieser Situation, in der in Paris über 100 Menschen von Terroristen umgebracht wurden, einfach die kalte Schulter zeigen würde, wäre das nicht nur unsensibel, sondern würde auch das deutsch-französische Verhältnis schwer belasten. Im Grunde stand eine deutsche Beteiligung an französischen Maßnahmen gegen die Terrorbrut des Islamischen Staates seit dem 14. November fest, als Angela Merkel Frankreich "jedwede deutsche Unterstützung" versprach. Bei Gerhard Schröder hieß das 14 Jahre zuvor gegenüber den USA, die von den Anschlägen des 11. September geschockt waren, "uneingeschränkte Solidarität". Nun also Syrien. Die Kehrseite der Medaille des nun flott beschlossenen Einsatzes kommt in Gestalt vieler Fragen und auch bitterer Erfahrungen daher. Wie wirksam die Bomben gegen IS-Terroristen sein können, ist unklar. Nach über einem Jahr alliierter Luftschläge scheint der IS nicht wirklich getroffen. Er ist fast wie beim Drachen in der Sage. Schlägt man ihm einen Kopf ab, wachsen gleich zwei nach. Der islamistische Terrorstaat wurde aus einigen Gebieten wieder vertrieben, die er brutal unter seine Kontrolle gebracht hatte, richtig. Das geschah vor allem durch kurdische Peschmerga-Kämpfer am Boden, unterstützt durch Kampfflugzeuge. Ein wirklicher "Sieg" gegen die Dschihadisten scheint dennoch in weiter Ferne. Und er wird viele Opfer kosten. Zudem sind die sogenannten Kollateralschäden durch Luftschläge, also unschuldige getötete Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, verheerend. Neben unerträglichem Leid führen sie dazu, dass dem IS immer neue Köpfe zuwachsen. Seine Propagandamaschine läuft auf Hochtouren. Völkerrechtlich steht der Bundeswehreinsatz, allen Beteuerungen der Bundesregierung zum Trotz, auf wackligen Füßen. Man kann zwar aus der angeführten UN-Resolution und dem Lissaboner Vertrag eine gewisse Rechtfertigung herauslesen, doch eine wirkliche Legitimation brächte nur ein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Warum wird das nicht viel vehementer angestrebt, auch wenn es verdammt schwer wird? Der Wiener Friedensprozess für Syrien, der maßgeblich von Deutschland initiiert wurde, kommt kaum von der Stelle. Doch davon darf man sich nicht entmutigen lassen. Paris, Berlin, die EU insgesamt müssen viel mehr Druck machen, damit auch die vielen anderen Beteiligten am weitreichenden Syrien-Konflikt wirklich an einer Friedenslösung mitarbeiten. Zurzeit verfolgt jeder dort - von der Türkei über Saudi Arabien bis zum Iran und Russland seine eigenen strategischen Ziele. Dass der politische, ökonomische und militärische Kampf gegen die Halsabschneider des IS das einigende Band für eine wirkliche Anti-Terror-Allianz sein könnte, ja muss, haben viele noch nicht begriffen.

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