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Mittelbayerische Zeitung: Viel Sturm um ein Gewehr
Von der Leyen mustert das G36 aus, auch um von der Affäre nicht noch weiter belastet zu werden. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Es ist noch nicht einmal 18 Jahre her, als Ende 1997 in der Infanterieschule Hammelburg das nagelneue Sturmgewehr G36 offiziell an das Heer übergeben wurde. Eine präzise Hightech-Waffe, die Maßstäbe setzen und für den renommierten deutschen Hersteller Heckler & Koch auch wirtschaftlich Erfolg bringen sollte. Zumindest Letzteres scheint gelungen. Das G36 wird von Lettland bis Australien, vom Irak bis Brasilien eingesetzt. Und zwar ohne, dass es zu Klagen über die Einsatzfähigkeit und Treffgenauigkeit gekommen ist. In der Bundeswehr freilich ist das Sturmgewehr in Verruf geraten. Die von allerhand Beschaffungskrisen geplagte Ministerin Ursula von der Leyen musterte das umstrittene G36 der Bundeswehr nun kurzerhand aus. Ihre Entscheidung war gewissermaßen ein Schuss aus der Hüfte. Ohne auch nur die Ergebnisse der von ihr eingesetzten Arbeitsgruppen abzuwarten, verkündete sie den Abschied vom Sturmgewehr. Von der Leyen tat dies offenbar auch, um nicht weiter von der Affäre belastet zu werden. Sie will nicht, dass an ihrem Ruf als entschlossene Reformerin des verkrusteten Wehrressorts gekratzt wird - und sich schon gar nicht ihre weitere Karriere zerschießen lassen. Die Suppe sollen bitteschön andere auslöffeln. Etwa ihr Vorgänger im Amt, der heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der Unions-Politiker hatte trotz eindringlicher interner Warnungen aus dem eigenen Haus sowie vom Bundesrechnungshof am G36 festgehalten und sogar weitere bestellt. Der dienstbeflissene de Maizère hat, wie nahezu alle seine Vorgänger an der Spitze des Verteidigungsministeriums, die wuchernden Strukturen des Beschaffungswesens nicht, zumindest nicht wirksam, beschnitten. Von der Leyens Vorgänger war bereits die gescheiterte Drohne auf die Füße gefallen. Nun könnten ihn die Probleme um das G36 nachträglich einholen. Für den Merkel-Vertrauten, der bis vor kurzem auch den "harten Hund" in der Flüchtlingspolitik gab, sind das keine guten Voraussetzungen, die Kanzlerin eines Tages ablösen zu können. Bei von der Leyen liegen die Dinge in dieser Hinsicht anders. Zwar sind die Dimensionen bei anderen Rüstungsprojekten, etwa beim künftigen Transportflieger A400M, beim neuen Kampfhubschrauber oder bei der geplanten Drohne andere als beim relativ kleinen Posten des G36. Beim Sturmgewehr geht es für die Bundeswehr um Millionen, bei anderen verkorksten Rüstungsprojekten stehen Milliarden im Raum, einige davon müssen unter Mehrkosten verbucht werden. Allerdings, auch wenn von der Leyen beim G36 nun entschlossen die Reißleine zog: Ausgestanden ist die Affäre auch für sie noch nicht. Es gibt weitere offene Fragen, die sie und ihr Ministerium beantworten müssen. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der mit staatsanwaltlichen Befugnissen ausgestattet ist, könnte sich der ganzen Sache annehmen. Die Opposition erwägt, ein solches Untersuchungsgremium einzusetzen. Und der Vorschlag findet selbst in der mitregierenden SPD Anhänger. Wenn der flotten Ministerin am Zeuge geflickt werden sollte, fänden sich auch im Regierungslager viele, die nur allzu gerne mittäten. Der Fall G36 scheint zudem ein unrühmliches Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit von staatlichen Beschaffern mit Monopolanbietern in Kungelei ausarten kann. Und offenbar gehörte die Fähigkeit, lange Dauerfeuer schießen zu können, gar nicht zur Funktionsbeschreibung des Sturmgewehres, die die Ministerialen Heckler & Koch vorgaben. Noch schlimmer ist die Frage danach, ob wegen der nachlassenden Treffgenauigkeit des Gewehres Soldaten im Einsatz, etwa bei Gefechten in Afghanistan, in noch größere Gefahr gekommen sind.

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