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Mittelbayerische Zeitung: Das süße Schulden-Gift

Regensburg (ots)

Von Stefan Stark

Verpassten Chancen nachzuweinen, bringt ebenso wenig wie bis zum Sankt Nimmerleinstag über Fehler zu lamentieren, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Das gilt für den FC Bayern nach dem Drama in der Champions League gleichermaßen wie für die Akteure in der Euro-Rettungstragödie. In beiden Fällen zählt nur, was die Zukunft bringt. Unter diesem Aspekt ist das Anti-Euro-Buch Thilo Sarrazins nicht wegweisend. Sein Blick zurück im Zorn macht den europäischen Patienten nicht gesund. Gestern trafen die EU-Chefs zum x-ten Male zusammen, um die Gemeinschaftswährung zu retten. Und um Signale zu setzen, dass Europa den Euro braucht - die Euro-Zone aber nicht um jeden Preis die Griechen. Sarrazin war den meisten dabei natürlich egal. Dennoch sollten die etablierten Politiker in Berlin froh sein, dass er nur ein Buch geschrieben hat. Denn eine Anti-Euro-Partei hätte in Deutschland laut Umfragen gute Chancen, zu einem Sammelbecken für die Frustrierten und Enttäuschten zu werden. Noch beunruhigender wäre es, wenn sich rechte oder linke Demagogen - so wie in immer mehr Nachbarländern - den wachsenden Europa-Verdruss zunutze machten. Es ist kein gottgegebenes Gesetz, dass es nie eine deutsche Marine Le Pen oder einen deutschen Alexis Tsipras geben wird. Die Euro-Länder sind an einem Scheideweg angelangt. Seit die Wähler in Griechenland für anarchische Verhältnisse gesorgt haben, stellt sich drängender denn je die Frage, ob und wie man die Krise in den Griff bekommen kann. Denn das griechische Virus kann schnell auf andere Süd-Länder übergreifen, wie die Massenproteste in Spanien zeigen. Doch nicht nur die politischen Alarmglocken schrillen: Auch wirtschaftlich droht ein Teufelskreis des Abschwungs. Einzig die deutsche Konjunktur ragt wie ein Leuchtturm hervor, weil aufstrebende Nationen auf anderen Kontinenten sich um unsere Produkte reißen. Weil die Bundesbürger - auch aus Inflationsangst - ihr Geld ausgeben und so die Wirtschaft ankurbeln. Und weil Deutschland immer noch die Früchte der Agenda 2010 erntet. Hier zeigt sich der Graben in der Euro-Zone, der Angela Merkels Rettungskurs so erschwert: Bei uns brummt der Laden, die anderen rutschen ab in Rezession und Massenarbeitslosigkeit. Dieser Gegensatz macht deutlich, dass die EU vor einer historischen Aufgabe steht. Sie muss einerseits einen Kompromiss finden, der die Wirtschaft in den Problemstaaten nicht weiter abwürgt und damit die Europa-Skepsis der Leute schürt. Andererseits muss die Politik der Versuchung widerstehen, mit dem süßen Gift von immer neuen Schulden den Bürgern eine Wirklichkeit vorzugaukeln, die es nicht mehr gibt. Denn die Traumwachstumsraten der Vergangenheit kamen in vielen Euro-Staaten zustande, weil die Regierungen alles auf Pump finanzierten. Die umstrittenen Euro-Bonds, die Frankreichs Präsident François Hollande so gerne hätte, wären nichts anderes als ein neues Kreditprogramm für die Schuldenländer. Nur mit dem feinen Unterschied, dass die deutschen Steuerzahler damit für alle Haushaltssünden der Anderen geradestehen. Dann könnte aber auch die Stimmung bei uns bedrohlich gegen Europa kippen. Deshalb ist es gut, dass die Kanzlerin den Franzosen in diesem Punkt ein großes Stoppschild zeigt. Sicherlich - die Länder, in denen derzeit alles den Bach runtergeht, brauchen einen Strohhalm. Also sollte Merkel Ja sagen zu Konjunktur- und Jobprogrammen - aber mit dem Geld, das vorhanden ist. Und mit dem Geld derer, die sich bisher aus der Verantwortung stahlen. Auch die Griechen brauchen eindeutige Signale vor der Neuwahl am 17. Juni: Nämlich, dass man die Hand, die einen füttert, nicht schlägt. Die Euro-Länder dürfen sich von einem Mitglied nicht erpressen lassen. Das wäre für die politische Gemeinschaft letztlich gefährlicher als ein Ausscheiden Athens aus dem Euro.

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