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WAZ: WAZ: Auch Indien wurde schon weiblich regiert Wir sind Kanzlerin? Nun mal halblang - Von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Nun hat Deutschland seine erste Kanzlerin. Normal
ist das entgegen aller landläufigen Bekundungen schon deshalb nicht,
weil alle Welt darüber redet, was das wohl zu bedeuten hat und auch
Merkel sich sehr wohl Gedanken macht über die Wahl ihrer Kleidung.
Allerdings wirken Versuche, das Thema zu überfrachten – Merkel solle
im Kanzleramt typisch weibliche Tugenden (emotionale Kompetenz,
Zuhörenkönnen, usw.) zur Geltung bringen – unbeholfen bis lächerlich.
Sie hat ihren eigenen Stil, und nebenbei: Wer wird schon behaupten
wollen, dass sie bei der Beseitigung oder Kaltstellung einer
inzwischen beeindruckenden Liste von Widersachern nun besonders
einfühlsam, also weiblich vorgegangen sei?
Angela Merkel ist durchsetzungsstark, und sie hat ein Gespür für
den richtigen Augenblick. Sie agiert nicht reflexhaft oder impulsiv,
sondern abwägend: Tugenden, die gerade in einer großen Koalition,
diesem permanenten Vermittlungsausschuss, helfen können. Sie ist
liberal, riskiert dafür aber nicht ihre Macht. Ihr Manko ist die
Kommunikation. Sie überzeugt in kleinen, weniger in großen Runden;
ihr fehlt Schröders Talent, die Dinge öffentlich auf den Punkt zu
bringen. Ihr Misstrauen macht sie vergleichsweise Intrigen-
unanfällig.
Über die 51 Gegenstimmen wird sie sich hinweglächeln. Immerhin
rief Schröder zuletzt sogar noch zu ihrer Wahl auf, jener Mann, der
ihr noch vor kurzem praktisch auf alle Zeiten den Chefsessel versagen
wollte. Die Stabilität dieser Regierung gründet sich nicht auf
persönlichen Vorbehalten oder Vorlieben. Merkels Schwäche ist der
konservative Flügel der SPD, ihr Erfolg hängt davon ab, ob sie sich
dauerhaft der Unterstützung der sozialdemokratischen Reformer
versichern kann und ob wiederum dieser Teil der SPD für die Mehrheit
der Partei sprechen und handeln kann.
Sollte es tatsächlich bergauf gehen mit Deutschland, dürfte sich
im übrigen jedes Kalkül überholen. Genau das aber schweißt die
Pragmatiker von SPD und Union einstweilen, für mindestens zwei Jahre,
zusammen: Die Alternative zum Erfolg könnte heißen – Staatskrise.
Sehr viele Bürger könnten denken: Wenn diese Beiden es nicht schaffen
– wer denn dann?
Was man sich von der Kanzlerin Merkel erhoffen kann? Solidität,
Berechenbarkeit, Stetigkeit. Und einen Schuss mehr Mut, als im
Koalitionsvertrag steht.

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