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EKD - Evangelische Kirche in Deutschland

Erklärung des Vorsitzenden des Rates der EKD, Bischof Dr. Wolfgang Huber, und des Vorsitzenden der DBK, Kardinal Karl Lehmann, zum 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung

Hannover (ots)

Wir begrüßen die Vorlage des Armuts- und
Reichtumsbericht der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode.
Durch seine Erstellung wird ein wichtiges Anliegen des Gemeinsamen
Wortes des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der
Deutschen Bischofskonferenz "Für eine Zukunft in Solidarität und
Gerechtigkeit" aufgenommen. Insbesondere begrüßen wir den Ansatz,
über die reine Darstellung einzelner, wichtiger Kennzahlen
hinauszugehen und die Lebenslagen von Menschen quantitativ und
qualitativ in den Blick zu nehmen, die von Armut betroffen sind. Für
die Zukunft legen wir allerdings nahe, unabhängige Experten mit der
regelmäßigen Berichterstattung über Armut und Reichtum in unserer
Gesellschaft zu betrauen.
Der Bericht legt noch einmal dar, was wir nicht zuletzt durch die
Erfahrungen, die die kirchliche Diakonie und Caritas in Beratungs-
und Hilfsprojekten machen, deutlich vor Augen haben: Armut in
Deutschland hat viele Gesichter. Auch in unserem reichen Land gibt es
erschreckende Armut.
Mit besonderer Sorge erfüllt uns die Situation derjenigen
Menschen, die von staatlicher Hilfe nicht ausreichend erreicht werden
und bei denen deshalb nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist,
weil sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage sind,
die ihnen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Ihnen gilt in besonderer
Weise das biblische Gebot der Mitmenschlichkeit und Solidarität. Die
psychosoziale Hilfe, die diese Menschen wirklich erreicht, muss
dringend erhalten und ausgebaut werden. Wir sind daher besonders
beunruhigt über die zahlreichen Vorhaben, gerade diese
existenznotwendigen Hilfsangebote zu kürzen oder abzubauen.
Aber auch Menschen, die Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II
erhalten, können durchaus „arm“ sein. Wessen materielle Möglichkeiten
so weit von den Verhältnissen der umgebenden Gesellschaft abweichen,
dass dadurch wichtige Teilhabechancen unerreichbar sind, dessen
Situation ist nicht hinnehmbar. Auch diese Armut muss ernst genommen
werden, auch wenn wir zugleich an die Situation vieler Millionen
extrem armer Menschen auf anderen Kontinenten erinnern und zur
Übernahme unserer Verantwortung für deren Lebenslagen aufrufen.
Besonders besorgt sind wir über die Armutsgefährdung von Familien
insbesondere mit mehreren Kindern. Dies wurde bereits im 1. Armuts-
und Reichtumsbericht beklagt und hat sich seither augenscheinlich
nicht nachhaltig verbessert. Mit allem Nachdruck stellen wir fest: Es
ist die Pflicht von Staat und Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass ihr
größter sozialer und emotionaler Reichtum und ihre wichtigste
Zukunftsperspektive, nämlich Kinder, nicht in materielle Armut führt.
Einen Skandal stellt die hohe Zahl von Kindern dar, die in Armut
leben. Für sie ist diese Situation besonders bedrückend und prägend -
bedeutet sie doch oftmals auch einen Ausschluss aus dem Kreis
Gleichaltriger.
Armut wird in Deutschland faktisch vererbt. Dies widerspricht
zutiefst unserem christlichen Menschenbild, ist sozialpolitisch ein
Skandal und lässt auch ökonomisch Potenziale brach liegen. Familien-
und Bildungspolitik müssen mehr und mehr als integraler Bestandteil
einer zukunftsgerichteten Sozialpolitik verstanden werden. Hier
brauchen wir einen sofortigen und radikalen Wandel, der dazu führt,
dass alle Kinder nach ihren Fähigkeiten gefördert werden, dass also
auch in dieser Hinsicht mehr Befähigungs- und
Beteiligungsgerechtigkeit verwirklicht wird.
Mit besonderer Sorge entnehmen wir dem Bericht, dass sich die
Schere zwischen Reich und Arm vor allem aufgrund der gestiegenen
Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren weiter geöffnet hat. Eine
solche Polarisierung widerspricht unserer christlichen Vorstellung
von einer Gesellschaft in Solidarität und Gerechtigkeit und bringt
zudem ernste soziale Gefahren mit sich. Was bedeutet die auch im
Grundgesetz festgeschriebene Sozialverpflichtung des Eigentums gerade
auch hinsichtlich derer, die mehr zu leisten im Stande sind?
Die Vorlage des Armuts- und Reichtumsbericht ist Anlass, erneut
und eindringlich an die ethisch gebotene Pflicht des Staates zu
erinnern, durch geeignete Maßnahmen Armut unterhalb des
Existenzminimums wirksam zu verhindern und Armut insgesamt in einer
Weise zu bekämpfen, die alle Menschen zur Entfaltung ihrer von Gott
gegebenen Möglichkeiten befähigt, ihre gerechte Teilhabe am Leben und
an den Gütern der Gesellschaft sicherstellt und ihnen so
Beteiligungschancen eröffnet.
Für die Richtigkeit:
Hannover, 2. März 2005	 Bonn, 2. März 2005
Pressestelle der EKD     Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz
Christof Vetter	         Dr. Martina Höhns
Hinweis: Die Erklärung wird zeitgleich von der Pressestelle der
Deutschen Bischofskonferenz verschickt.
Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail:  christof.vetter@ekd.de

Original-Content von: EKD - Evangelische Kirche in Deutschland, übermittelt durch news aktuell

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