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Berliner Morgenpost: Gefährliche Zeitenwende
ein Kommentar von Gudrun Büscher zum Angriff des Irans auf Israel

Berlin (ots)

Die Schäden halten sich in Grenzen, aber die Botschaft ist verheerend klar. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate konnte die Welt sehen, dass Israel verwundbar ist: Am 7. Oktober überrannten Hamas-Terrorkommandos den Süden des Landes. In der Nacht zum Sonntag feuerte der Iran ballistische Raketen ab - begleitet von einem gewaltigen Schwarm bewaffneter Killer-Drohnen.

Dieses Mal überließ der Iran die Vergeltung nicht mehr den Kampfesbrüdern im Libanon, Irak oder Jemen. Für Israel ist der iranische Angriff, der das Land kurz vor dem Pessach-Fest in Schockstarre versetzte, traumatisch. Die Attacke weckt schlimme Erinnerungen. Zum zweiten Mal seit 1948, als Israel gegründet wurde, griff ein befeindeter Staat das Land aus der Luft mit Raketen an. 1991 war es der irakische Diktator Saddam Hussein, der beim Ausbruch des ersten Golfkriegs israelische Städte mit mehr als 40 Scud-Geschossen bombardierte. Damals herrschte Panik, weil man befürchtete, sie könnten mit Giftgas versehen sein, was nicht der Fall war. Aber die israelische Luftabwehr versagte. Dieses Mal funktionierte sie in Zusammenarbeit mit den Verbündeten und fing den allergrößten Teil ab.

Der Iran ist jedoch viel gefährlicher als der irakische Diktator. Denn das Mullah-Regime in Teheran ist hochgerüstet und arbeitet an einem eigenen Arsenal von Atomwaffen. Auch deshalb bedeutet die nächtliche Attacke eine massive Eskalation. Der Erzfeind Iran gibt seine Zurückhaltung auf und greift vom eigenen Staatsgebiet aus Israel direkt an.

Die israelische Führung hat klargestellt, dass sie darauf entsprechend reagieren werde. Ohne selbst eindeutig die Verantwortung dafür zu übernehmen, hatten Israels Dienste und das Militär in der Vergangenheit immer wieder im Iran interveniert, vor allem, um das Atomprogramm zu bremsen. "Wer uns schadet, dem schaden wir auch", kündigte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu an.

Eine gefährliche Spirale der Vergeltung dreht sich immer schneller. Kleine Fehler auf beiden Seiten können fatal sein. Das Weiße Haus und die internationale Gemeinschaft sind in Alarmbereitschaft. G7 und Sicherheitsrat tagen. Erschreckend ist, dass die internationale Gemeinschaft diese Eskalation nicht verhindern konnte. Von überall her kamen die Appelle an Teheran. Das zeigt, wie gering die Möglichkeiten sind, Schlimmeres zu verhindern.

Irans Oberster Führer Ali Chamenei hatte Israel des Angriffs in Damaskus bezichtigt und ihn als einen Angriff auf "unseren Boden" bezeichnet. Das sei nun vergolten, heißt es jetzt aus Teheran. Der Iran hätte viel heftiger vorgehen können. Mit den langsamen Drohnen hatten Israel und seine Verbündeten Vorwarnzeit. Gemeinsam mit den USA, Frankreich, Großbritannien und Jordanien brach Israel die Welle, bevor sie gefährlich werden konnte.

Dieser breite internationale Rückhalt bietet eine kleine Chance, dass die Aufforderungen, die Vergeltung zu überdenken, in Jerusalem Gehör finden. Ausgerechnet jetzt untätig zu bleiben, würde für Israel bedeuten, Iran als Gegner auf Augenhöhe anzuerkennen und darauf zu verzichten, seine Abschreckung wiederherzustellen.

Im Gazastreifen triumphiert Hamas-Führer Yahya Sinwar, der seit dem 7. Oktober vergeblich darauf gehofft hatte, den Iran in den Krieg zu ziehen. Seit der Nacht zum Sonntag ist der bisherige Schattenkrieg vorbei, Israel und der Iran stehen sich in einer offenen Konfrontation gegenüber. Die nächsten Stunden und Tage sind höchst gefährlich und können - auch global - katastrophale Folgen haben. Für die Region stellt die neue Entwicklung schon jetzt eine Zeitenwende dar.

Pressekontakt:

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Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

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