Alle Storys
Folgen
Keine Story von BERLINER MORGENPOST mehr verpassen.

BERLINER MORGENPOST

Die Ampel muss liefern
Gegen die Wohnungskrise braucht es mehr privates und staatliches Geld
Leitartikel von Thorsten Knuf

Berlin (ots)

Vor genau zwei Jahren konnte man überall in Deutschland einen kleinen Mann mit Glatze und eng geschnittenem Anzug sehen. Es war Wahlkampf, und die SPD pflasterte das Land mit rot-schwarz-weißen Plakaten zu. Auf ihnen war ein sehr nahbarer Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu sehen. Ein Motiv zeigte einen sitzenden Scholz, den rechten Arm lässig auf ein angewinkeltes Bein gelegt. "Kanzler für bezahlbares Wohnen", war auf dem Plakat zu lesen. Und: "Scholz packt das an."

Bekanntlich ist der Kandidat von damals siegreich aus der Wahl hervorgegangen. Krieg, Energiekrise, Klimaschutz: Er und seine Ampelkoalition hatten seit Amtsantritt alle Hände voll zu tun. Allerdings kann man kaum sagen, dass die Wohnungsbaupolitik seitdem ein zentrales Thema des Regierungshandelns gewesen wäre. 400.000 Wohnungen sollen nach den Vorstellungen der Koalition pro Jahr gebaut werden, um der Wohnungskrise im Land zu begegnen. Knapp 300.000 waren es im vergangenen Jahr, in diesem dürften es noch weniger werden. Die Baubranche legt angesichts stark gestiegener Zinsen und Preise eine Vollbremsung hin.

Scholz und seine Leute spüren, dass sie dringend etwas tun müssen. An diesem Montag kommen Vertreter der Regierung und der Wohnungswirtschaft im Kanzleramt zusammen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie mehr und schneller gebaut werden kann. Diskutiert wird ein breites Bündel an Maßnahmen, etwa schnellere Genehmigungsverfahren. Im jüngsten Gesetzentwurf zur Ankurbelung der Konjunktur hatte die Regierung bereits bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Bauherren auf den Weg gebracht.

Doch zurück zum Wahlkämpfer Scholz und seinem Versprechen, das Wohnen wieder bezahlbar zu machen. Seit Jahren ist der Mangel an Wohnraum eines derjenigen Probleme des Landes, das die Menschen täglich und unmittelbar zu spüren bekommen. Es hat sich tief in die Mittelschicht hineingefressen: Selbst wer in einer bezahlbaren und ausreichend großen Wohnung lebt, hat oft Freunde oder Verwandte, die suchen und nichts finden.

Während die Preise für Kaufimmobilien vielerorts sinken, ist der Anstieg der Angebotsmieten ungebrochen. Und es trifft längst nicht mehr nur die boomenden Groß- und Universitätsstädte. Spitzenreiter beim Mietanstieg waren im vergangenen Jahr Orte wie Delmenhorst, Worms und Weiden in der Oberpfalz. Während sich die Provinz leert, wird es in den Städten immer voller. Hinzu kommt, dass die Migration nach Deutschland insbesondere in den Städten stattfindet. Und wenn wegen steigender Zinsen und Baukosten viele Familien auf den Erwerb eines Eigenheims verzichten, dann wird es auf dem Mietmarkt noch enger.

Es rächt sich bitter, dass in der Zeit des billigen Geldes hierzulande nicht zumindest der öffentliche und soziale Wohnungsbau mit Hochdruck vorangetrieben wurde. Jetzt sind die Zinsen wieder hoch, der langjährige Immobilienboom ist zu Ende, der Baubranche gehen die Aufträge aus. Das ist zwar geldpolitisch so gewollt, denn die Europäische Zentralbank will die Konjunktur dämpfen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Für alle, die keine bezahlbare Wohnung finden, ist das trotzdem ein unbefriedigender Zustand.

Beim Wohnungsbau muss die Ampel dringend liefern. Es geht darum, mehr privates und staatliches Geld für das Bauen zu mobilisieren und den Wohnungsbau schneller und preiswerter zu machen. Scheitert die Ampel beim Wohnungsbau, dann bricht sie eines ihrer zentralen Versprechen.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
  • 22.09.2023 – 19:35

    Berliner Morgenpost/Vor allem ein Geschäft/Kommentar von Petra Koruhn

    Berlin (ots) - Wie glutenfreies Brot massentauglich wurde Haben Sie sich schon einmal dabei erwischt, dass Sie eine Packung "Haferkekse glutenfrei" in den Einkaufswagen packen wollten? "Glutenfrei", das klingt nach noch mehr Gesundheit. Ganz im Sinne der Ernährungsoptimierung greifen wir gerne zu. Natürlich sind glutenfreie Lebensmittel ein Segen. Aber nur für die ...

  • 21.09.2023 – 19:39

    Berliner Morgenpost/AfD-Strategien entlarven/Leitartikel von Christian Unger

    Berlin (ots) - Die demokratischen Parteien schlucken immer wieder eine Pille zur Beruhigung: Die AfD sei eine Protestpartei. Man müsse nur genug Geld ausgeben, genug versprechen und beschwichtigen - und die Protestierenden finden den Weg zurück zu den Parteien der Mitte. Die AfD laufe sich tot, radikalisiere sich selbst weg. Doch dieser Mythos bröckelt. Die AfD hat ...

  • 21.09.2023 – 19:34

    Berliner Morgenpost/Putin dürfte sich freuen/Kommentar von Thorsten Knuf

    Berlin (ots) - Im Wahlkampf sind Politiker mitunter von allen guten Geistern verlassen. Um eines kurzfristigen Vorteils willen sagen sie Dinge, die einen enormen Schaden anrichten können. Besonders gefährlich wird es, wenn innenpolitisches Taktieren zu außenpolitischen Verwerfungen führt. Wer so handelt, zeigt, dass ihm die eigene Macht wichtiger ist als das ...