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Berliner Morgenpost/Das Erbe der Mauer/Leitartikel von Felix Müller

Berlin (ots)

Warum die Erinnerung an den 13. August 1961 so wichtig ist

Die Gedenkkultur ist auf runde Jahrestage fixiert. Erst vor wenigen Wochen, am 17. Juni 2023, wurde an die dramatischen Ereignisse in Berlin und Deutschland vor 70 Jahren erinnert, als sich Proteste gegen eine Erhöhung der DDR-Arbeitsnormen zu einem Aufstand gegen die sozialistische Staatsführung auswuchsen, der nur mit Hilfe sowjetischer Panzer niedergeschlagen werden konnte. Kulturprojekte Berlin, die landeseigene Veranstaltungsagentur, organisierte kleine Pop-up-Ausstellungen mit historischen Fotos überall in der Stadt, auch - ein guter Schachzug - in direkter Sichtweite der russischen Botschaft Unter den Linden.

Am heutigen Sonntag nun jährt sich der Tag des Mauerbaus, der sich in der Rückschau mit dem 17. Juni 1953 zu einem zweiten Fanal sozialistischer Repression verbindet. Weil es sich nicht um einen runden Jahrestag handelt, wird es bei einer Veranstaltung an der Gedenkstätte Berliner Mauer bleiben, bei der nach einer Andacht in der Kapelle der Versöhnung am Denkmal Kränze niedergelegt werden. Doch Jahrestage mitsamt ihrer wichtigen Rituale und Mahnrufe können ohnehin nur ein kleiner Baustein sein im Rahmen umfassender Bildungsmaßnahmen im Kampf gegen das Vergessen.

Wie wichtig sie sind, hat kürzlich eine Umfrage im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ergeben, die große Wissenslücken bei jungen Menschen offenbarte. Sechs von sieben Befragten zwischen 14 und 29 Jahren können demnach nichts mit dem dem 17. Juni 1953 anfangen. "Wir sprechen von jungen Menschen, die seit 2009 den Geschichtsunterricht im vereinten Deutschland durchlaufen haben", kommentiert Stiftungspräsidentin Anna Kaminsky. "Eine Umfrage zum 13. August 1961 würde mit Sicherheit ein vergleichbares Bild ergeben."

Ein erschütternder Befund, gerade in Berlin - der Stadt, wo die gewaltsamen Exzesse des 20. Jahrhunderts in besonders nachhaltiger Weise im Stadtbild dokumentiert sind. Wenn es ein Anliegen schulischer Bildung ist, jungen Menschen die Gestalt des persönlichen Lebensumfeldes begreiflich zu machen und ihnen eine Idee davon zu vermitteln, was eigentlich Freiheit ist, welchen Wert sie hat und was sie bedroht, dann sind mangelnde Kenntnisse über die Geschichte der Berliner Mauer besonders schwer zu verstehen.

Die Mauer war in ihrem Kern ein Angriff auf die Würde des Menschen - und vor allem kostete sie Männer und Frauen das Leben, die sich mit ihr nicht abfinden wollten oder konnten, vom Beginn der Absperrungsmaßnahmen am 13. August 1961 bis zum Jahr 1989, als ein Grenzer den erst 21-jährigen Chris Gueffroy erschoss. Die Gedenkstätte Berliner Mauer fasst die Statistik des Todes so zusammen: "Mindestens 140 Menschen wurden an der Berliner Mauer getötet oder kamen im Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben: 101 Flüchtlinge, die beim Versuch, die Grenzanlagen zu überwinden, erschossen wurden, verunglückten oder sich das Leben nahmen; 30 Menschen aus Ost und West ohne Fluchtabsichten sowie ein sowjetischer Soldat, die erschossen wurden oder verunglückten, acht im Dienst getötete DDR-Grenzsoldaten, die durch Fahnenflüchtige, Kameraden, einen Flüchtling einen Fluchthelfer oder einen West-Berliner Polizisten getötet wurden.

"Das Unglück, das die Mauer über die Menschen brachte, lehrt viel über den Denkfehler, Freiheit für etwas Selbstverständliches zu halten. In Zeiten, in denen autoritäre Politikformate wieder erkennbaren Zulauf entfalten, ist die Aufklärung darüber elementar.

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