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BERLINER MORGENPOST: Auf Kosten der Berliner
Leitartikel von Christine Richter zum Diesel-Fahrverbot

Berlin (ots)

Kurzform: Nach den Fahrverboten in anderen deutschen Städten hat das Berliner Verwaltungsgericht am Dienstag nun auch Diesel-Fahrverbote für einzelne Straßen in Berlin verhängt. Weil die Politik zu viel Zeit verstreichen ließ, Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung umzusetzen, weil die Luft an einigen Stellen in der Innenstadt über die vergangenen Jahre wahrlich schlechter geworden ist, weil die Gesundheit der Menschen zu Recht an erster Stelle steht. Die Leidtragenden sind wieder einmal die Menschen, die auf das Auto angewiesen sind und die sich eben nicht alle drei Jahre ein neues Diesel-Fahrzeug kaufen können. Das Urteil hat erneut gezeigt: Von einer funktionierenden Metropole mit einem intelligenten Verkehrsmix aus öffentlichem Personennahverkehr, Radfahrern, Fußgängern, privatem und betrieblichem Autoverkehr ist Berlin weit entfernt. Leider.

Der vollständige Leitartikel: Es hatte sich abgezeichnet: Nach den Fahrverboten in anderen deutschen Städten hat das Berliner Verwaltungsgericht am Dienstag nun auch Diesel-Fahrverbote für einzelne Straßen in Berlin verhängt. Weil die Politik zu viel Zeit verstreichen ließ, Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung umzusetzen, weil die Luft an einigen Stellen in der Innenstadt über die vergangenen Jahre wahrlich schlechter geworden ist, weil die Gesundheit der Menschen zu Recht an erster Stelle steht. Die Leidtragenden sind wieder einmal die Menschen, die auf das Auto angewiesen sind und die sich eben nicht alle drei Jahre ein neues Diesel-Fahrzeug kaufen können. Das sind viele Handwerker, aber auch Einzelhändler, Supermarktbetreiber, Apotheker, natürlich die Industriebetriebe und viele andere Dienstleister. Es sind aber auch Menschen, die in den Außenbezirken wohnen und die eben nicht so einfach und zu jeder Uhrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt kommen. Es sind Familien, die mit dem gar nicht so alten Diesel-Fahrzeug ihre Einkäufe zum Wochenende erledigen und die Tüten nicht in den Bus und die U-Bahn schleppen wollen. Die die Kinder morgens zur Schule oder mittags zum Sport bringen. Es sind vor allem auch die Fahrzeuge der Müllentsorger, die BVG-Busse, die Wagen der Wasserbetriebe und so manches Taxi, das ein Diesel der Euronorm 4 oder 5 ist. Also, zumindest ist es für Berlin so berechnet, etwa jedes vierte Dieselfahrzeug. Was für eine immense Zahl. Diese kennt auch der rot-rot-grüne Senat in Berlin. Seit Langem. Die politisch Verantwortlichen, wie Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), haben zwar mit den Unternehmensverbänden in Berlin und Brandenburg, der Handwerkskammer oder der Industrie- und Handelskammer Gespräche geführt, doch von dem Ziel, gerichtlich angeordnete Fahrverbote zu vermeiden, war man weit entfernt. Stattdessen wurden Tempo-30-Zonen auf der Leipziger Straße oder dem Tempelhofer Damm verhängt, die erwartungsgemäß in so kurzer Zeit kaum etwas an der Luftverschmutzung änderten, zumal sich die Autofahrer andere Strecken durch die jeweiligen Stadtviertel gesucht haben. Was sie im Übrigen auch bei den jetzt vorgesehenen Fahrverboten machen werden. Dabei gibt es so viele Fragen zu klären, wie man die Stickstoffdioxid-Belastung nachhaltig in einer Stadt wie Berlin reduzieren könnte: Warum gibt es noch immer so wenig E-Mobility in Berlin? Warum werden die finanziellen Anreize für Interessierte nicht erhöht, wenn man doch die smarte City mit E-Autos haben möchte, zumal in einer Zeit, in der Berlin über sehr hohe Steuereinnahmen verfügt? Warum gibt es keine Nachrüstungs-Prämien für Dieselfahrzeuge? Warum werden die Park & Ride-Plätze an der Stadtgrenze nicht ausgebaut, damit mehr Pendler aus Brandenburg auf die Bahn umsteigen? Und warum ist Berlin nicht in der Liste der 14 Städte bundesweit aufgenommen worden, die die große Koalition vor einer Woche beschlossen hatte? Warum also ist Berlin nicht Teil dieses "Diesel-Kompromisses", der, so faul er zu sein scheint, zumindest finanzielle Unterstützung für Diesel-Autobesitzer vorsieht? Berlins Verkehrssenatorin Günther gab am Dienstag der Bundesregierung und der Autoindustrie die Schuld an den Fahrverboten. Sicherlich haben der Bund, der ebenfalls so lange untätig blieb, und vor allem die Autobauer, die ihre Kunden in den vergangenen Jahren betrogen und belogen haben, eine große Verantwortung für die jetzige Situation. Aber auch die lokalen Politiker. Eines hat das Urteil erneut gezeigt: Von einer funktionierenden Metropole mit einem intelligenten Verkehrsmix aus öffentlichem Personennahverkehr, Radfahrern, Fußgängern, privatem und betrieblichem Autoverkehr ist Berlin weit entfernt. Leider.

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