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BERLINER MORGENPOST: Gutes Essen hat seinen Preis
Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Berlin (ots)

Der Irrsinn hat Methode. Es kann doch kein Zufall sein, dass Europas Verbraucher alle paar Monate von einem neuen Lebensmittelskandal heimgesucht werden. Mal sind es dioxinverseuchte Eier, mal mit Viren versetzte Erdbeeren und jetzt Lasagnen, die nicht halten, was auf der Etikettierung geschrieben steht. Und was versprechen unsere Verbraucherministerinnen und Verbraucherminister in Berlin, Bukarest, Paris oder Brüssel schon fast gebetsmühlenartig? Wir werden bei uns zu Hause mögliche Versäumnisse aufklären, natürlich die Kontrollen verschärfen. Wenn sie denn wirklich etwas helfen, kurieren sie allerdings nur an den Symptomen einer Nahrungsmittelindustrie im gemeinsamen EU-Markt, in dem die Produktionsketten so verwoben sind, dass kaum noch einer durchblickt. Am wenigsten der Verbraucher, der am Ende die Ware auspackt. Wer die Lieferströme im Zusammenhang mit der jüngsten Rosstäuscherei rekonstruiert, kann sich nicht mehr wundern, dass Manipulationen Tor und Tür geöffnet sind. Wie das über den Kontinent vagabundierte Pferdefleisch werden viele andere Zusätze für Lebensmittel von Land zu Land gekarrt, um möglichst billig zu produzieren. Dem muss die EU endlich einen wirksamen Riegel vorschieben. Zudem reizt die Brüsseler Prämienpolitik zu Betrügereien, denn die Masse wird stark, die Qualität weit weniger subventioniert. Im gerade beschlossenen EU-Haushaltsentwurf bis 2020 soll die Landwirtschaft mit 373 Milliarden Euro alimentiert werden. Geholfen wäre den Verbrauchern ja schon, wenn auf den Verpackungen gut leserlich und verständlich über Herkunft und Zusammensetzung des Lebensmittels informiert würde. Und gegen Verstöße Strafen drohen, die wirklich wehtun. Beides wird seit Jahren von Verbraucherschutzorganisationen zu Recht gefordert. Noch immer vergeblich, weil den Agrarministern der Schutz ihrer Klientel offenbar noch immer wichtiger ist als der der Verbraucher. Aber auch wir Verbraucher müssen umdenken. Die meisten von uns wollen es doch billig, billig und schnell, schnell. So entsteht ein Preis- und Wettbewerbsdruck von der Produktion bis zum Handel, dem die Qualität allzu oft untergeordnet wird. Das beste Rezept dagegen: öfter mal wieder selbst kochen und nicht unbedingt zum billigsten Angebot greifen. Denn auch gutes Essen hat seinen Preis. Dass es diesmal das Fleisch von Pferden ist, das uns so erregt, hat neben dem Betrug wohl auch etwas mit der gespaltenen Liebe zu unseren Fleisch liefernden Haustieren zu tun. Obwohl Pferdefleisch als sehr schmackhaft und vergleichsweise fettarm gilt, graust es den meisten Deutschen, wenn sie ans Schlachten der treuen Vierbeiner denken. Auch deshalb verschmähen sie es weitgehend. Wer aber will beim Verzehr eines Kalbschnitzels, Schweinskoteletts oder Hähnchens daran erinnert werden, unter welch artfremden Bedingungen diese Kreaturen allzu oft zu unserem billigen Verzehr produziert werden. Wir müssen uns auf gesunde Lebensmittel verlassen können - und dürfen die Umstände der Tierhaltung nicht ganz verdrängen.

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