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BERLINER MORGENPOST: Keine kluge Idee, nur Wahlkampf - Leitartikel

Berlin (ots)

Das, so glaubt die SPD, muss bei den Berlinern doch gut ankommen: ein neues Programm des öffentlich geförderten Wohnungsbaus in Berlin. Deshalb wollen die Sozialdemokraten wieder öffentliches Geld - zunächst zehn Millionen Euro - ausgeben, damit Wohnungsbaugenossenschaften kleine Ein- und Zweizimmerwohnungen bauen. Kein Zweifel: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Berlin hat sich geändert. Wohnraum wird in den begehrten Innenstadtbezirken erstmals seit Jahren wieder knapp, und es werden weniger Wohnungen neu gebaut. Viele Menschen wollen allein in großen Wohnungen leben - die dann für Familien fehlen - oder eben in einer kleinen Ein- oder Zweizimmerwohnung, die jedoch in der Innenstadt gar nicht mehr zur Verfügung stehen oder auch nicht mehr neu errichtet werden. Und wie das so ist, wenn Wohnraum knapp wird und eine Stadt gleichzeitig boomt: Die Mieten steigen deutlich an, viele Berliner haben inzwischen schon Angst, dass sie sich den Wohnraum bald nicht mehr leisten können. Kein Wunder also, dass das Thema Mieten und Wohnungsbau im Abgeordnetenhauswahlkampf eine zentrale Rolle spielt. "Mieter vor Wild-West schützen", plakatiert die Linke derzeit in der Stadt. Doch Vorsicht: Es ist Wahlkampf. Wer regiert denn seit 22 Jahren - erst mit der CDU, dann, seit Anfang 2002, mit der Linkspartei - in dieser Stadt? Die SPD. Und sie hat viele Jahre lang den Bausenator gestellt, auch in den letzten zehn Jahren mit Peter Strieder und schließlich Ingeborg Junge-Reyer. Die Sozialdemokraten selbst hätten also schon längst das Problem erkennen können, dass zu wenige Wohnungen gebaut werden, dass es an Wohnraum für Menschen mit geringerem Einkommen fehlt. Das Gleiche gilt auch für die wahlkämpfende Linke, die uns vor "Wild-West" schützen will. Sie hatte schon zehn Jahre Zeit dafür. Das Problem selbst muss natürlich angegangen werden - von jeder Partei, die derzeit um Wählerstimmen wirbt. Aber wer jetzt einfache Lösungen anbietet, ist nicht ehrlich, denn dafür ist die Lage viel zu komplex. Beispiel Innenstadt: Viele Menschen wollen erwartungsgemäß in Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg oder Wilmersdorf wohnen. Dass die Mieten dort höher sind als in Marzahn-Hellersdorf, kann doch niemanden verwundern. Wer will ernsthaft einem Hausbesitzer verbieten, höhere Mieten zu nehmen - wenn offenbar viele Menschen bereit sind, dies für einen attraktiven Wohnort mitten in der Hauptstadt zu bezahlen? Die politisch Verantwortlichen müssen auf die soziale Mischung in einem Stadtteil achten. Also beispielsweise über die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften dafür sorgen, dass auch Wohnraum für Geringverdiener zur Verfügung steht. Oder der Senat kann - wo es überhaupt noch möglich ist - landeseigene Grundstücke günstiger an Investoren abgeben, die nicht nur hochpreisige Wohnungen bauen wollen. Eine Neuauflage des öffentlich geförderten Wohnungsbaus ist sicherlich keine kluge Idee. Berlin braucht beim Wohnungsbau ein tragfähiges Konzept, das auf mehrere Jahre angelegt sein muss. Wer etwas anderes und schnelle Lösungen verspricht, ist unglaubwürdig.

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