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BERLINER MORGENPOST: Solidarität mit Japan ist gefragt - Leitartikel

Berlin (ots)

Viel war in den letzten Wochen von Anstand die Rede. Auch wenn die Informationen aus Japan noch unpräzise sind, so ist doch klar: Über 1000 Menschen haben ihr Leben verloren, Zehntausende suchen nach Angehörigen, Hunderttausende verloren Hab und Gut, Millionen trauern, versinken in Verzweiflung - ein Land leidet. Die Reaktor-Havarie von Fukushima ist nicht die einzige Katastrophe, mit der die Japaner fertig werden müssen. Auch Raffinerien, Chemiewerke und vielerlei weitere Industrieanlagen entlassen hochgiftige Substanzen in die Umwelt. Der Anstand gebietet es, dass Deutschland umgehend alles an denkbaren Mitteln mobilisiert, was dem geschundenen Land fast am anderen Ende der Welt sofort hilft, vom Suchhund bis zu finanzieller Unterstützung. Angesichts des apokalyptischen Bebens und des nachfolgenden höllischen Tsunami ist es geradezu unanständig, wenn deutsche Politiker das Drama missbrauchen und mit Atom-Appellen ihre Chancen bei den anstehenden Landtagswahlen zu verbessern suchen. Derlei Opportunismus gehört sich einfach nicht. Statt mit der Angst politisches Geschäft zu machen, gebührt zunächst einmal großer Respekt den Menschen in Japan, die in dieser Katastrophe bislang bemerkenswerte Disziplin, Zusammenhalt und Ruhe gezeigt haben. Bundespräsident Christian Wulff war es, der das Angemessene tat und Mitgefühl ausdrückte. Das havarierte Kraftwerk Fukushima 1 und womöglich weitere Meiler bilden eine Katastrophe in der Katastrophe. Eine Reihe von Störfällen in japanischen Atomreaktoren, auch infolge früherer Beben, und der nicht immer transparente Umgang damit haben die verbreiteten Bedenken gleichwohl noch einmal bestätigt. Es ist so legitim wie naheliegend, sich auch in Deutschland Gedanken über die Sicherheit von Atomreaktoren zu machen, wie es die Bundeskanzlerin mit dem angekündigten Atom-Chef jetzt auch tut. Die Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es um die Sicherheit der hiesigen Anlagen im Falle des Unvorhersehbaren bestellt ist. Anders als in atomfreundlicheren Staaten hat Deutschland nach dem Tschernobyl-GAU vor einem Vierteljahrhundert entschieden, sich vom Atomstrom zu verabschieden. Das Wissen und die Unkontrollierbarkeit des nuklearen Feuers führten dazu, dass in Deutschland seither keine neuen Meiler mehr gebaut wurden. Es war eine rot-grüne Bundesregierung, die die deutschen Atomanlagen nicht prompt abschaltete, sondern mit dem Ausstiegsbeschluss einen mittelfristigen Übergang in eine Zukunft der Energieversorgung bahnte, von der bis heute niemand genau weiß, wie sie denn überhaupt aussieht. Die aktuelle Regierung koppelte die verlängerten Laufzeiten an ein zeitgleiches Anwachsen regenerativer Energie. Die Proteste dürften Kanzlerin und Koalition noch einmal deutlich gemacht haben, dass die Nuklearenergie niemals mehr ein Gewinnerthema sein wird. Der Fall Fukushima bestätigt den grundsätzlichen und mehrheitlich gewollten Ausstiegskurs, der sich mit einer anderen Bundesregierung garantiert noch einmal ändern wird. Jetzt allerdings eine kurze und folgenlose Hysterie-Debatte zu führen wird weder dem japanischen Drama noch dem komplexen Energiethema gerecht. Statt wohlfeiler Selbstbespiegelung ist in diesen Tagen zuallererst Solidarität mit Japan gefragt.

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