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BERLINER MORGENPOST: Abklemmen von der Schuldendroge

Berlin (ots)

Nicht wenige in der Berliner SPD und beim Koalitionspartner von der Linkspartei dürften insgeheim ganz froh sein, wenn der Kelch erst einmal an ihnen vorüberginge. Rot-Rot muss ja, wenn die Wahlprognosen stimmen, eh nicht mehr umsetzen, was die Senatoren heute in der Finanzplanung bis 2014 festgelegt haben: Die Stadt soll ihr Defizit, sofern es nicht aus Einnahmeausfällen wegen einer Wirtschaftskrise herrührt, bis 2020 komplett abbauen. Neue Kredite aufzunehmen, um in normalen Jahren laufende Ausgaben zu bezahlen, wird in weniger als zehn Jahren tabu sein. Die Schuldenhauptstadt Berlin wird von ihrer Droge abgeklemmt. Der Senat hat gestern dargestellt, wie er fast den halben Weg auf dieser Entziehungskur zurückzulegen gedenkt, indem er die bisherige Ausgabeplanung um 600 Millionen Euro pro Jahr bis 2013 eindampft. Auch Kritiker der Schuldenbremse wie die Linke oder der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit kommen aus dieser Verpflichtung zu solider Finanzpolitik nicht mehr raus. Vom Denken zum Handeln ist es jedoch ein großer Schritt und darin gründet der schale Beigeschmack des gestrigen Beschlusses. Der stößt nicht nur den Grünen auf, die sich größte Hoffnungen machen, im nächsten Jahr in die Regierung aufzurücken. Dann müssten sie und ihre möglichen Koalitionspartner nämlich ernst machen mit dem Sparen und in einem Haushalt das umsetzen, was der parteilose Finanzsenator Ulrich Nussbaum jetzt vorgeschlagen hat. Die Oppositionsfraktionen fordern einen Nachtragshaushalt, damit auch Rot-Rot noch ein paar unpopuläre Beschlüsse fassen muss. Diesen eigenen Beitrag zu den jährlich notwendigen Sparanstrengungen, wie sie das Verfahren zum Erreichen der Schuldenbremse vorsieht, verweigern SPD und Linke. Der Verweis auf fehlende Zeit ist vorgeschoben, denn natürlich ließen sich in den kommenden drei, vier Monaten Kürzungsbeschlüsse fassen, ohne gleich dem neuen Abgeordnetenhaus zu weit reichende Vorgaben zu machen. Das könnte man erwarten, wenn sie es ehrlich meinten. Der finanzielle Rahmen für die nächsten Jahre ist jedoch nicht in Frage zu stellen. Das Grundgesetz, das demnächst neue Schulden verbietet, gilt für alle. Daran sollten alle Politiker im Wahlkampf denken. Teure Versprechen sind zu unterlassen, wenn nicht gleichzeitig gesagt wird, wie Wohltaten an die eigene Klientel bezahlt werden sollen. Es muss einen Wettkampf geben um intelligente Konzepte, wie die Verwaltung das vorgegebene Geld einsparen und dabei gleichzeitig effizienter und leistungsfähiger werden kann. Den Subventionsempfängern muss klar gesagt werden, wer noch Zuweisungen erwarten kann und wer nicht. Die Politiker müssen sich entscheiden, ob sie lieber ein saniertes ICC, eine Kunsthalle, zurück gebaute Straßen um die Autobahn A 100 oder eine Bibliothek wollen. Denn alles wird nicht gehen. Für die Bürger ist das nicht nur schlecht: Politik ohne die leichte Ausflucht in neue Schulden kann spannend werden, weil endlich zwischen Wichtig und Unwichtig entschieden werden muss.

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