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Lausitzer Rundschau: Erneut totes Baby in der Lausitz gefunden: Das Unerklärliche erklären

Cottbus (ots)

Schwarzheide. Lübben. Frauenhain. Und nun Laasow
am Gräbendorfer See. Innerhalb eines halben Jahres sind in der Region
die Leichen von vier Babys gefunden worden - erdrosselt, erstickt, 
erschlagen. Wie könnte man anders darauf reagieren als mit Trauer, 
Entsetzen und Sprachlosigkeit.
Aber wir dürfen nicht schweigen. Wir müssen uns den Tatsachen 
stellen, so schrecklich sie sind. Und wir dürfen dabei nicht der 
Versuchung erliegen, das Grauen locker wegzuerklären. Etwa, indem wir
allein und ausschließlich auf die Verantwortung des Individuums 
verweisen. Natürlich: Schuld ist immer individuell. Der einzelne ist 
für sein Handeln selbst verantwortlich, auch das ist Teil seiner 
Menschenwürde. Aber wer in der Häufung solcher Taten in einer Region 
nichts weiter erkennen will als die Summe tragischer Einzelfälle, der
wird dem Phänomen in keiner Weise gerecht - und sagt in letzter 
Konsequenz nichts anderes, als dass alle Bemühungen gegenzusteuern 
vergeblich sein müssen. Eine Antwort, mit der sich keine Gesellschaft
zufrieden geben kann und darf.
Auf der anderen Seite wäre es genauso falsch, individuelle Taten 
derart zu verallgemeinern, dass sie sich in den äußeren Umständen 
quasi auflösen. "Die Umstände sind schuld". Oder: "Das Individuum ist
schuld." Beides mag, irgendwie, stimmen. Aber wer so urteilt, macht 
es sich zu einfach. Der kann sich zurücklehnen und muss sich mit der 
Sache nicht weiter beschäftigen.
Eine ähnliche Wirkung haben übrigens die heftigen Debatten, die sich 
in der Vergangenheit um die These gedreht haben, bei den 
Kindstötungen handele es sich zuvorderst um ein Phänomen der neuen 
Bundesländer, das sich aus Einstellungen erklären lasse, deren 
Ursprung in der früheren DDR zu finden sei. Als Sachsen-Anhalts 
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sich vor einiger Zeit etwas 
unbeholfen in dieser Richtung äußerte, empörte sich die Republik 
tagelang nur noch über die "Entgleisungen" des gebürtigen Lausitzers 
- und wechselte damit fast unbemerkt das Thema: Plötzlich ging es, 
einmal mehr, um die historische Einordnung der DDR, deren Existenz 
bekanntlich im Jahre 1990 endete. Und nicht mehr um die Babys, die 
heute sterben.
Wir sollten also beim Thema bleiben. Und wir sollten allen zuhören, 
die ernsthaft versuchen, Antworten auf die Fragen zu finden, die sich
uns allen stellen - auch, wenn uns möglicherweise nicht alle 
Antworten gefallen: Was treibt Mütter dazu, einen menschlichen 
Urtrieb überwindend, das eigene Kind zu töten? Wie kommt es, dass bei
den Täterinnen das Unrechtsbewusstsein zumindest im Moment der Tat 
fehlt oder nicht stark genug ist? Warum ist für sie das menschliche 
Leben kein unantastbarer, absoluter Wert? Welche Faktoren - regional,
historisch, sozial oder ideell - tragen zur Entstehung solcher 
Einstellungen bei?
Wir müssen die Sprachlosigkeit überwinden. Wir müssen versuchen, das 
Unfassbare zu erfassen, das Unerklärbare zu erklären, das 
Unverständliche zu verstehen. Wir sind uns das schuldig, weil wir 
menschliche Wesen sind.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de

Original-Content von: Lausitzer Rundschau, übermittelt durch news aktuell

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