Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung: Zinswende um jeden Preis
Kommentar von Andreas Hippin zum Zinsschritt der britischen Notenbank.

Frankfurt (ots)

Der unzuverlässige Liebhaber hat geliefert. Mark Carney, den Gouverneur der Bank of England, muss der Spitzname, der ihm von einem Unterhausabgeordneten wegen seiner Wankelmütigkeit verliehen wurde, schon sehr geärgert haben. Vermutlich so sehr, dass er dieses Mal nicht schon wieder einen Rückzieher machen wollte. Schließlich wurde am Markt die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts schon auf 90% beziffert. Und so erhöhte die Bank of England gestern erneut die Zinsen, obwohl die jüngsten Konjunkturdaten das nicht unbedingt erforderlich gemacht hätten. Gewiss, die überhöhten Häuserpreise und die Neigung vieler Briten zum schuldenfinanzierten Kaufrausch sprechen dafür. Aber das weltweite Wachstum, das der britischen Wirtschaft über eine schwache Inlandsnachfrage hinweggeholfen hatte, droht zu verebben.

In den bunkerähnlichen Gemäuern an der Threadneedle Street unterstellt man der Einfachheit halber nach wie vor, dass der britische EU-Austritt völlig reibungslos verlaufen wird. Das war schon vor dem Beinahezusammenbruch der Regierung von Theresa May gewagt. Nachdem ihr Brexit-Kompromiss von Brüssel brüsk zurückgewiesen wurde, hat diese Annahme noch weniger Sinn. Würde die Notenbank auch nur eine Wahrscheinlichkeit von 10% dafür unterstellen, dass es statt zum Deal zum Bruch mit Resteuropa kommt, hätte sie auf diese Zinserhöhung verzichten müssen, zumal sich ihre negativsten Auswirkungen auf das Wachstum gleich nach dem Austrittstermin zeigen dürften.

Man könnte zwar argumentieren, dass sich die Geldpolitik nicht an katastrophalen Extremrisiken orientieren könne. Aber warum Risiken eingehen, die man nicht eingehen muss? Die Inflation geht schneller zurück als von der Bank of England erwartet, das Lohnwachstum hat sich verlangsamt und das Wirtschaftswachstum ist so schwach wie seit Jahren nicht.

Man muss befürchten, dass die Zentralbankökonomen die Torpfosten verrücken werden, um zu punkten. Mit neuen Methoden zur Ermittlung von Produktivitätsentwicklung und Wachstum ließe sich die Zinswende um jeden Preis rechtfertigen. Dann würde man den Kollegen von der Federal Reserve nicht mehr ganz so weit hinterherhinken. Rudeldenken und Tunnelblick spielen eine weit größere Rolle, als Notenbanker je zugeben würden. Am Kapitalmarkt tut man gut daran, ihren Optimismus in Frage zu stellen. Bei der Bank of England mag man Extremrisiken außen vor lassen. Sonst kann sich das keiner leisten.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung
  • 01.08.2018 – 20:45

    Börsen-Zeitung: Kaesers Grundgesetz, Kommentar zu Siemens von Michael Flämig

    Frankfurt (ots) - Nun liegt das Vermächtnis von Joe Kaeser auf dem Tisch. Der Siemens-Aufsichtsrat hat die neue Strategie des Vorstandsvorsitzenden am Mittwochnachmittag genehmigt. Weil Kaeser schon vor einigen Wochen seinen Abschied für das Jahr 2021 öffentlich angekündigt hat, wird das Konzept mit dem Namen "Visions 2020+" den Konzern über seine Amtszeit hinaus ...

  • 31.07.2018 – 20:30

    Börsen-Zeitung: Raus aus dem Krisenmodus, Kommentar zur Euro-Wirtschaft von Mark Schrörs

    Frankfurt (ots) - Man muss nicht lange um den heißen Brei herumreden: Dass die Euro-Wirtschaft im Frühjahr noch einmal an Schwung verloren hat, ist enttäuschend. Das dürften auch die Granden im EZB-Tower so sehen. Für Schwarzmalerei besteht aber dennoch kein Anlass. Das sollten auch die Euro-Hüter so sehen: Sie sollten nicht am avisierten Einstieg in den Ausstieg ...

  • 30.07.2018 – 20:35

    Börsen-Zeitung: Das Kurs-Paradox, Kommentar zu Siemens Healthineers von Michael Flämig

    Frankfurt (ots) - Der Börsenneuling Siemens Healthineers ruft scheinbar paradoxe Reaktionen an der Börse hervor. Seitdem Umsatz und Gewinn im zweiten Quartal mit einem teils zweistelligen Prozentsatz gesunken sind, ist der Aktienkurs in der Spitze um 18 Prozent gestiegen. Am Montag, als im dritten Quartal der Gewinn erneut zurückging und die Erlöse nur stagnierten, ...