Militärsoziologe: Kein Mangel an Kämpfern im Verteidigungsfall
Köln (ots)
Die Debatte zum neuen Wehrdienst ist weiter in vollem Gange. Über das Thema hat der WDR heute im WDR5 Morgenecho mit dem Militärsoziologen Dr. Timo Graf vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr gesprochen. Er führt im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung eine jährliche Bevölkerungsbefragung zum Wehrdienst durch. Die folgenden Zitate sind ab sofort zur Veröffentlichung freigegeben:
"Die Mehrheit in unserer Befragung, da reden wir über 53 Prozent, ist der Auffassung, dass die Wiedereinführung eines neuen Wehrdienstes für junge Menschen notwendig ist vor dem Hintergrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage. 20 Prozent sind da noch unentschieden und 23 Prozent lehnen das aktuell ab."
"Wir führen diese Studie seit 1996 durch, aber insbesondere seit 2022 beobachten wir eine Zeitenwende in den Köpfen der Menschen. Wir müssen das Ganze in einen Kontext setzen. 65 Prozent der Bürgerinnen und Bürger fühlen sich bedroht durch Russland und sie verlangen nach stärkerer Verteidigung. Denn [...] zwei Drittel der Befragten sprechen sich auf eine Stärkung der Bundeswehr aus, übrigens auch personell. Und die Mehrheit der Befragten sagt, ein Weg, um das zu erreichen, ist in ihrer Sicht ein neuer Wehrdienst. Das heißt, seitens der Bevölkerung geht ja hier ein Mandat an die Politik, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Und genau das passiert ja auch."
"Das heißt, aus diesen Befragungen können wir ableiten, dass die Befragten offen sind für diese Diskussion und das als notwendig erachten. Was die Politik letzten Endes beschließt, dazu werden wir uns dann alle sicherlich noch mal neu sortieren und neu verhalten. Aber ich plädiere generell für etwas mehr Mut in diesen Debatten. Das Gleiche gilt übrigens auch für die generelle Verteidigungsbereitschaft in Deutschland. Die Bereitschaft, Deutschland im Fall eines militärischen Angriffs mit der Waffe zu verteidigen, da sehen wir nämlich, dass eine absolute Mehrheit der Männer dazu bereit wäre, auch 20 Prozent der Frauen. Jetzt kann man stöhnen und sagen oh, das ist aber niedrig, ja auch im Vergleich zu anderen Ländern. Aber Deutschland hat eine sehr große Bevölkerung und in absoluten Zahlen - und wir beschränken uns mal nur auf die wehrfähige Gruppe der 20 bis 40-Jährigen - dann wären das über 5 Millionen Männer und über 2 Millionen Frauen. Und da braucht wirklich keiner davon reden, dass wir irgendwie einen absoluten Mangel an freiwilligen ja, es klingt hart , aber Kämpferinnen und Kämpfern hätten."
"Wir müssen das in einem größeren Kontextsehen, nämlich im Kontext der Gesamtverteidigung. [...] Und das heißt käme es zu einem Fall wie in der Ukraine [...], dann werden alle alle Hände voll zu tun haben und ist es immer nur, auch in der Ukraine, ein Bruchteil der Bevölkerung, der sich wird militärisch engagieren müssen und davon wiederum auch nur ein Teil, der dann tatsächlich wird mit Waffen kämpfen müssen."
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