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Gängelung des Gesundheitswesens muss endlich aufhören

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Berlin (ots)

Ärztemangel und fehlende Medizinstudienplätze. Klinikinsolvenzen und Praxissterben. Medikamenten-Engpässe und streikende Apotheken. Im zweiten Jahr unter der Ägide von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gab es wieder mehr Schatten als Licht, beklagen Experten. Wird es 2024 besser? Wird die Krankenhausreform, die eigentlich schon 2023 konkrete Gestalt annehmen sollte, die Abwärtsspirale bei den Kliniken aufhalten? Der gesundheitspolitische Experte Frank Rudolph, Geschäftsführer des Bundesverbandes Verrechnungsstellen Gesundheit e.V., hegt Zweifel. Er fordert Realismus und gesunden Menschenverstand bei der Gestaltung brauchbarer Rahmenbedingungen für die Akteure im Gesundheitswesen. Doch Lauterbachs weitgehend ideologisch motivierte Vorstellungen würden auf staatliche Gängelung hinauslaufen - und damit letztlich zur Lähmung des Systems führen.

"Operation gelungen, Patient tot"

Von Frank Rudolph

Ein Chaos-Krankenhaus mit einem Despoten als Chef, mit neurotischen Ärzten, vor Angst zitternden Patienten und Goldfischen im Infusionstropf. Das Publikum lachte einst Tränen über eine amerikanische Slapstick-Verballhornung des Krankenhausbetriebs. Als die Filmkomödie 1983 in die deutschen Kinos kam, war Karl Lauterbach im ersten Medizin-Studienjahr. Und niemand konnte ahnen, dass der deutsche Filmtitel der US-Klamotte 40 Jahre später für ironische Kommentare zu seinem Agieren als Bundesgesundheitsminister dienen könnte: "Operation gelungen, Patient tot".

Das mag hyperbolisch klingen, aber Übertreibung dient der Anschaulichkeit. Denn so viel ist gewiss: Praxissterben, Ärztemangel, Klinikinsolvenzen, Engpässe bei Medikamenten, Apothekenniedergang, Milliardendefizite der Gesetzlichen Krankenversicherung, die durch Beitragserhöhungen und Zuschüsse des Steuerzahlers ausgeglichen werden müssen - das waren auch im zurückliegenden Jahr Wegmarken der Gesundheitspolitik der Ampelregierung. Und so gut wie nichts deutet darauf hin, dass sie 2024 durch Meilensteine des Aufschwungs ersetzt werden können.

Kurs in Richtung zentralstaatlicher Steuerung

Im Gegenteil. Weitgehend beratungsresistent - und innerhalb der Ampel höchstens noch vom Rotstift des FDP-Finanzministers ein wenig gebremst - will dieser SPD-Minister seinen erkennbar ideologisch determinierten Kurs in Richtung eines zentralstaatlich gesteuerten Gesundheitswesens fortsetzen. Zum Leidwesen aller Leistungserbringer, und am Ende auch der Patienten. Kurzzeitig mag Karl Lauterbach zum Jahresende wieder in seine Paraderolle als Warnminister geschlüpft sein, um das Volk mit sorgenvoller Miene und erhobenem Zeigefinger zur Covid-Impfung zu drängen. Doch absehbar ist, dass er sich bald wieder dem Ringen um seine unselige Krankenhausreform widmen wird.

Allerdings sorgte Widerstand der Länder dafür, dass er sie 2023 nicht mehr wie gewünscht aufgleisen konnte. 2024 soll es nun gelingen. Doch viele Fragen sind noch offen. Und die Länder merken mehr und mehr, dass ihnen mit der Reform schleichend Befugnisse bei der Krankenhausplanung abhanden kommen könnten.

CDU-Minister macht vor, wie eine Krankenhausreform funktionieren kann

Derweil hat der CDU-Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, einmal mehr vorgemacht, wie eine solche Reform mit gesundem Menschen- und Sachverstand realisierbar ist. Die neue NRW-Krankenhausplanung wird im kommenden Jahr bereits abgeschlossen werden. "Wir werden dieses Ziel 2024 erreichen", versprach Laumann im Landtag. Mit der Reform sollen Krankenhäuser in NRW wirtschaftlich stabiler werden, während zugleich die Qualität der medizinischen Versorgung besser wird. Ähnlich wie bei Lauterbachs bundesweiter Reform sollen Krankenhäuser in NRW sich jeweils auf bestimmte Leistungen konzentrieren und nicht mehr alles anbieten. Als besonders wichtig ist für Laumann aber auch, dass ein Krankenhaus mit internistischer und chirurgischer Versorgung für 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Autominuten erreichbar sein muss. Intensivmedizin muss demnach flächendeckend vorgehalten werden. Das dürften auch andere Bundesländer zur Benchmark machen, wenn es um die weitere Ausgestaltung der Krankenhausreform geht - und zwar angepasst an die konkreten Gegebenheiten in den betroffenen Regionen.

Etikettenschwindel soll Ländern die Gestaltungshoheit entziehen

Doch statt sich auf praktische Machbarkeit und echten Patientennutzen zu konzentrieren, hat sich der Bundesminister dafür entschieden, in der Ampel und im Bundestag zunächst sein umstrittenes Krankenhaustransparenzgesetz durchzuboxen. Dabei musste er einen Dämpfer hinnehmen: Durch das Nein im Bundesrat - seitens Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen - ist das Projekt zunächst ausgebremst und an den Vermittlungsausschuss überwiesen worden. Aber davon will sich ein "Überzeugungstäter" wie Lauterbach natürlich nicht aufhalten lassen.

Wer wissen will, wohin die Reise für das deutsche Gesundheitswesen unter seiner Ägide gehen soll, braucht sich nur etwas genauer mit diesem Gesetz und dem perfiden Etikettenschwindel beschäftigen, der damit verbunden ist. Denn was mit einem harmlos wirkenden Titel präsentiert wurde - wer kann schon etwas gegen "Transparenz" haben? -, ist in Wirklichkeit alles andere als ein gut gemeinter Versuch, den Bürgerinnen und Bürgern künftig im Krankheitsfall die Auswahl der jeweils am besten für sie geeigneten Klinik zu erleichtern.

Was Lauterbach, der seit langem als heimlicher Verfechter eines staatlichen - beziehungsweise verstaatlichten - Gesundheitswesen gilt, mit dem Gesetz wirklich erreichen möchte, hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, auf den Punkt gebracht: Letztlich gehe es "darum, den Ländern durch die Hintertür die Hoheit für die Krankenhausplanung zu entziehen".

Leistungsgruppen sollen von oben verordnet werden

Denn bereits 2024 will Lauterbach den Krankenhausstandorten Leistungsgruppen zuweisen lassen - und damit zwei Jahre früher als die Länder im Rahmen ihrer Planungen auf der Basis der anvisierten Krankenhausreform tätig werden können. Zudem ist der Versuch erkennbar, aus diesen Leistungsgruppen nach Maßstäben des Bundesgesundheitsministeriums unter Umgehung der Länder Krankenhauslevel zu konstruieren und einzuführen - ein Verstoß gegen die Bund-Länder-Vereinbarungen im Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vom 10. Juli 2023.

Kann man diesem Minister noch trauen?

Ist es da ein Wunder, wenn sich Vertreter der Krankenhäuser und der Ärzteschaft fragen, inwieweit man diesem Minister überhaupt noch über den Weg trauen kann?

Geradezu peinlich wirkte sein Auftritt in der Bundesratssitzung zum Transparenzgesetz, als er die Behauptung wiederholte, hunderttausende Menschen, die 2024 neu an Krebs erkranken werden, hätten ohne das Gesetz keine Möglichkeit, sich über eine geeignete Klinik zu informieren. Was für dicke Krokodilstränen! Dazu DKG-Chef Gaß: "Der Minister sollte wissen, dass diese Aussage nachweislich falsch ist."

Mit anderen Worten: Entweder der Minister hat keine Ahnung oder er verbreitet wissentlich falsche Angaben. Die naheliegende Konsequenz dürfte in beiden Fällen dieselbe sein.

Unseriöses Gebaren

Es ist schlicht unseriös, so zu tun, als ob Krankenhausträger oder Klinikverwaltungen in irgendeiner Weise Transparenz verhindern oder Patientinnen und Patienten Qualitätsdaten vorenthalten würden. Und das bei so schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs. Längst schon bietet die Deutsche Krebsgesellschaft umfangreiche Informationen über zertifizierte Krebszentren im Internet an. Und das BMG selbst bietet auf seiner Homepage die Möglichkeit, sich über geeignete Kliniken zu informieren.

Man kann nur hoffen, dass Lauterbachs Versuch, mehr Kontroll- und Druckpotenzial gegenüber den Ländern und den Krankenhausbetreibern in die Hände zu bekommen, letztlich scheitert. Die Krankenhausreform, deren grundsätzliche Notwendigkeit angesichts nicht mehr finanzierbarer Überkapazitäten und Doppelstrukturen kaum noch jemand bezweifelt, wäre jedenfalls nicht gefährdet, wenn ein Transparenzgesetz erst danach und dann in entsprechend angepasster Form käme.

Es gibt etliche Problembaustellen

Überhaupt wäre es angesichts der vielen ungelösten Probleme im deutschen Gesundheitswesen begrüßenswert, wenn sich die Ampel nicht mit Tunnelblick darauf versteifen würde, die Krankenhausreform zu erzwingen, sondern kompromissbereit mit den Ländern an praktikablen und flexiblen Lösungen arbeiten würde.

Schließlich gibt es auch noch andere Baustellen, auf denen sich endlich etwas tun müsste. Nehmen wir nur den Ärztemangel. Anfang 2023 warnte Lauterbach noch in der "Bild am Sonntag": "Wenn wir nicht die Zahl der Medizinstudienplätze um 5.000 erhöhen, werden wir die Babyboomer-Generation in naher Zukunft nicht mehr angemessen versorgen können." Auch die Krankenhausreform mache "wenig Sinn, wenn uns für die Kliniken nachher die Ärzte fehlen". Getan hat sich wenig. Kein Wunder. Ein Medizin-Studierender kostet nach Expertenberechnungen etwa 30.000 Euro pro Jahr. Tausende neue Plätze schlagen insgesamt mit Milliarden zu buche, die die Länder nicht allein aufbringen wollen. Vielleicht findet Lauterbach 2024 Zeit, sich wieder damit zu befassen. Falls der Haushalt der Ampel noch irgendwo Geld dafür hergibt.

Verärgerte Hausärzte

Dass der Unmut unter Deutschlands Hausärztinnen und Hausärzten in den zurückliegenden Monaten immer größer geworden ist, dürfte dem Minister ebenfalls kaum entgangen sein. In vielen Praxen stoßen Patienten auf Poster mit der Aufschrift "Diese Praxis wird kaputtgespart: Stoppt Lauterbach!". Auf manchen war der Minister auch schon als Vampir zu sehen. Dazu der Text: "Lauterbach saugt Praxen aus ... und gefährdet damit Ihre Versorgung!"

Überall in Deutschland folgten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte einem Aufruf des Virchowbundes und ließen Haus- und Facharztpraxen jeweils für mehrere Stunden geschlossen. Die Protestkampagne dürfte 2024 weitergehen.

Krise der hausärztlichen Versorgung

Deutschland steckt mitten in einer Krise der hausärztlichen Versorgung - sowohl finanziell als auch systemisch. Die Gründe sind seit Jahren bekannt: Unterfinanzierung der hausärztlichen Versorgungsebene, fehlende Patientensteuerung in der Regelversorgung, ein enormer Fachkräftemangel sowie die immer weiter zunehmende Bürokratiebelastung. Die Folgen: Immer mehr Praxen sehen sich gezwungen, keine neuen Patientinnen und Patienten mehr aufzunehmen - schlichtweg, weil das Pensum nicht mehr zu schaffen ist.

In den letzten Wochen haben Ärzte- und Apothekerverbände ihre Sorge über eine Zuspitzung der Lage zum Ausdruck gebracht. Parallel dazu rollt die Welle der Insolvenzverfahren im Klinikbereich. Fast 70 Prozent der deutschen Krankenhäuser gehen laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) davon aus, dass ihre Existenz kurz- oder mittelfristig gefährdet ist. Jedem Gesundheitsminister, der einen gewissen Sinn für Realitäten hat, sollte das Gesamtbild schlaflose Nächte bereiten.

Lichtblick bei der Digitalisierung - Praxistauglichkeit muss sich noch zeigen

Sicher, es gab 2023 nicht nur Schatten. Dass sich inzwischen etwas bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens tut, gehört zu den - wenigen - Lichtblicken. Elektronische Rezepte und digitale Gesundheitsakten sollen 2024 und in den Folgejahren für Millionen Patientinnen und Patienten immer mehr zur Selbstverständlichkeit werden. Als ein Kernprojekt der Digitalisierung sollen Anfang 2025 E-Patientenakten für alle kommen, die dies nicht erklärtermaßen ablehnen. Nicht weniger wichtig: Die Nutzung kombinierter Gesundheitsdaten für die Forschung soll erleichtert werden.

Doch der Beweis genereller Praxistauglichkeit steht noch aus. Wird der Austausch von Daten zwischen den einzelnen Ärzten, Laboren und Apotheken reibungslos verlaufen? Werden Hardware und Software zuverlässig funktionieren? Wird der bürokratische Aufwand kleiner - oder wenigstens nicht noch größer?

Für Erfolg oder Misserfolg der Digitalisierung wird es 2024 einen Gradmesser geben: Alle Beteiligten müssen im Alltag die Erfahrung machen können, dass sich E-Akte und E-Rezept leicht und nutzbringend handhaben lassen.

Ruhegeld für Minister ist in trockenen Tüchern

Wie immer man die Bilanz der Ampel bewerten mag, einen "Erfolg" kann man ihr nicht absprechen: Sie hat es geschafft, mindestens zwei Jahre im Amt zu bleiben. Seit dem 8. Dezember bedeutet das für fast alle ihrer Minister: Sie haben genügend Amtstage durchgehalten, um künftig monatlich fast 4700 Euro Ruhegehalt kassieren zu können. Niemand unterstellt dem Gesundheitsminister, dass dies sein vorrangiges persönliches Ziel war. Doch wenn er im kommenden Jahr nicht endlich greifbare Ergebnisse bei der Lösung von Problemen unseres Gesundheitswesens vorzuweisen hat, sollte man ihm vielleicht den Titel eines anderen amerikanischen Films ans Herz legen: "Take the Money and Run" - in Deutschland lief der Spielfilm 1969 unter dem Titel "Woody, der Unglücksrabe".

Der Autor: Frank Rudolph (Jahrgang 1960) ist mit der Kalkulation und Abrechnung medizinischer Leistungen seit vielen Jahren vertraut. Als Geschäftsführer des Bundesverbandes Verrechnungsstellen Gesundheit e.V. (BVVG) kennt er die Folgen gesundheitspolitischer Weichenstellungen in Bund und Ländern für die medizinische Versorgung der Bevölkerung - insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses von Kosten und Nutzen. Der in Essen geborene Betriebswirt ist Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU. Von 2007 bis 2013 war Rudolph Mitglied der Bundeskommission Gesundheit. Seit 2007 ist er 1. stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU NRW.

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